Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des Krankheitsunterhalts
Normenkette
BGB §§ 1572, 1578b
Verfahrensgang
AG Tübingen (Urteil vom 21.08.2009; Aktenzeichen 2 F 62/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Tübingen vom 21.8.2009 - 2 F 62/09, abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 21.286,44 EUR
Gründe
I. Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie streiten über die Verpflichtung des Klägers, der Beklagten nachehelichen Unterhalt zu bezahlen.
Das Familiengericht hat den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis 31.12.2010 befristet.
Im Berufungsverfahren verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, dass aufgrund der langen Ehedauer die nacheheliche Solidarität es gebiete, dass ein Unterhaltsanspruch ohne Begrenzung bestehe. Wegen des Umzugs der Parteien 1983 nach U. bei H., habe sie ihre Beamtenlaufbahn als Bibliothekarin in T. aufgegeben und sei aus dem Landesdienst ausgeschieden. Der Umzug sei erfolgt, um dem Kläger eine berufliche Tätigkeit bei dem Pharmakonzern S. in H. zu ermöglichen. Danach sei sie auf Wunsch des Klägers nicht mehr in nennenswerten Umfang berufstätig gewesen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers während der Trennung und Scheidung habe sich ihre Krankheit verschlechtert. Dies rechtfertige es, dass sie einen unbegrenzten Unterhaltsanspruch habe, auch, weil sie keine vorzeitige Rente beziehen könne. In einem eheähnlichen Verhältnis lebe sie nicht. Nach Erörterung in mündlicher Verhandlung vor dem Senat beantragt die Beklagte das Urteil des AG Tübingen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt:
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung die Urteile des AG Celle dahingehend abzuändern, dass der Kläger der Beklagten ab Rechtshängigkeit (16.2.2009) keinen Krankenvorsorge- und Ehegattenunterhalt mehr schuldet.
Er ist der Meinung, dass ein ehebedingter Nachteil der Beklagten durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden sei. Die Beklagte habe nach dem Umzug ihre Berufstätigkeit aus freien Stücken aufgegeben. Bis 1985 habe sie noch als Bibliotheksangestellte gearbeitet, weshalb ein ehebedingter Nachteil nicht vorliege. Gegen Erwerbsunfähigkeit hätte sie sich durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit selbst absichern könne. Zum Zeitpunkt der Ehescheidung hätte sie bei Inanspruchnahme einer Therapie ihre Arbeitsfähigkeit wieder herstellen können. Lediglich wegen der manischen Phasen und der dadurch verursachten unverhältnismäßigen Geldausgaben sei sie unter Betreuung gestellt worden. Aufgrund der langen Dauer des schon geleisteten Unterhalts sei eine Befristung ab Rechtshängigkeit gerechtfertigt.
Der Senat hat ein Gutachten zur fiktiven Höhe der Pension der Beklagten für den Fall der Erwerbsunfähigkeit bei Weiterbeschäftigung im Beamtenverhältnis eingeholt.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gelangten Urkunden Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, der Anschlussberufung des Klägers war kein Erfolg beschieden.
Der Beklagten steht weiterhin ein Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit gem. § 1572 BGB zu.
Eine Fortsetzung der Unterhaltszahlungen jedenfalls bis zum Renteneintritt der Beklagten ist angesichts der konkreten Lebensumstände beider Parteien nicht unbillig, so dass eine zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten gem. § 1578b Abs. 2 BGB oder auch nur eine Herabsetzung gem. Abs. 1 derzeit nicht erfolgen kann.
1. Der Senat geht davon aus, dass ein ehebedingter Nachteil darin zu sehen ist, dass die Beklagte bei bestehender Erwerbsunfähigkeit wegen Aufgabe ihrer Beamtenstellung im Jahr 1983 keinen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente hat. Dieser Nachteil wird auch nicht durch den bei Ehescheidung durchgeführten Versorgungsausgleich kompensiert, da die Beklagte das Rentenalter noch nicht erreicht hat und die rentenrechlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, (in die über eine Nachversicherung auch ihre ursprünglich erworbenen Pensionsansprüche geflossen sind) nicht erfüllt. Bei Beibehaltung ihrer Beamtentätigkeit in T. hätte die Beklagte derzeit einen Rentenanspruch i.H.v. brutto ca. 2000 EUR (als Mittelwert zwischen der damals erreichten Besoldungsgruppe A8 und der erreichbaren Besoldungsgruppe A9) wie der Sachverständige G. nachvollziehbar in seinem Gutachten ermittelt hat. Netto entspräche dies einer Rente i.H.v. monatlich ca. 1500 EUR schon unter Berücksichtigung des fiktiven Kranken- und Pflegeversicherungsversicherungsbeitrages (30 % neben ei...