Leitsatz (amtlich)
Bestimmt der Gewinnverteilungsschlüssel im Sozietätsvertrag einer Anwaltssozietät eine quotale Bemessung der Gewinnanteile dergestalt, dass sich der Gewinnanteil über ein Punktesystem ausschließlich in Abhängigkeit von der Dauer der Sozietätszugehörigkeit erhöht (sog. Lockstep-System), kann ein Partner keine Erhöhung seines Gewinnanteils nach den Grundsätzen über die Änderung der Geschäftsgrundlage oder die gesellschafterliche Treuepflicht mit der Begründung verlangen, er erwirtschafte mit den von ihm bearbeiteten Mandaten einen im Vergleich zu seiner Gewinnbeteiligungsquote erheblich überproportionalen Anteil am Umsatz und Gewinn der Sozietät.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.10.2006; Aktenzeichen 10 O 110/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 20.10.2006 - 10 O 110/05 wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die vollstreckenden Beklagten nicht vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
A. Die Parteien sind oder - so die Kläger - waren Gesellschafter ("Partner") einer Anwaltssozietät in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Kläger haben von den Beklagten zunächst Schadensersatz i.H.v. wenigstens ... EUR mit der Begründung verlangt, die Beklagten hätten sich zu Unrecht einer von den Klägern zu ihren Gunsten wegen einer Änderung der Geschäftsgrundlage geforderten Anpassung der Gewinnverteilung für 2004 und die folgenden Jahre verweigert mit der Folge, dass die Kläger berechtigt gewesen seien, ihre Beteiligung an der Gesellschaft fristlos zu kündigen und Schadensersatz wegen der verweigerten Anpassung zu verlangen. Nunmehr begehren sie im Berufungsverfahren die zunächst nur hilfsweise verlangte Feststellung der Nichtigkeit eines angeblichen diese Vertragsanpassung verweigernden Gesellschafterbeschlusses und die Verurteilung der Beklagten zur Abhaltung einer Gesellschafterversammlung mit dem Ziel einer entsprechenden positiven Beschlussfassung. Streitig ist unter den Parteien nicht nur, ob eine die begehrte Anpassung rechtfertigende Äquivalenzstörung vorliegt. In einem weiteren beim Senat anhängigen Berufungsverfahren (14 O 53/06) streiten die Parteien und die Sozietät auch um die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die Kläger durch ordentliche oder fristlose Kündigung wirksam aus der Sozietät ausgeschieden sind bzw. ausscheiden können oder ob ihre Mitgliedschaft durch Zeitablauf oder durch Anfechtung beendet ist. Hier ist ebenfalls heute ein Urteil verkündet worden.
1. Die Kläger sind die im Büro der Sozietät in A. tätigen Partner, die Beklagten - mit Ausnahme des Beklagten zu 14 (s.u.) - sind die übrigen Partner an den Standorten B., C., D. und E. (der Beklagte zu 7 ist nach dem Vortrag im Parallelverfahren 14 U 53/06 mittlerweile altershalber ausgeschieden). Das Büro in A. befasst sich vor allem mit Beratung im Bereich Private Equity sowie im Bank- und Kapitalmarktrecht mit Schwerpunkt Emission von Zertifikaten und Optionsscheinen. Es wurde im Jahr 1994 gegründet, vom Kläger zu 1, der seit 1.1.1988 Partner der Sozietät ist, von B. aus aufgebaut und zunächst von den seit 1994 bei der Sozietät angestellten Klägern zu 2 und 3 geleitet, die später Partner wurden (Kläger zu 2 zum 1.7.1997 und Klägerin zu 3 zum 1.1.1998 als sog. Juniorpartner, beide zum 1.7.2000 als Seniorpartner). Der Kläger zu 1 ist im Jahr 2001 an das Büro A. gewechselt. Der Kläger zu 4 kam 1998 als Angestellter hinzu und wurde zum 1.1.2002 Junior- und zum 1.7.2004 Seniorpartner bzw. - seit dem Gesellschaftsvertrag vom 12.11.2003 (unten 2.) so bezeichnet - Partner der Stufe I.
2. Die 1976 gegründete Sozietät führte im Jahr 1988 für die Gewinnverteilung unter den Partnern ein Punkte-System ein (sog. Lockstep). Eine feste Laufzeit des Vertrags war auf 30 Jahre festgelegt. In den folgenden Jahren wurden mehrfach Junior- und Seniorpartner aufgenommen; in vier dieser Fälle wurde die Laufzeit auf einen Zeitpunkt verlängert, der 30 Jahre nach Inkrafttreten der Änderung lag. Zweimal, zuletzt am 12.11.2003 (s.u.) wurde der Vertrag neu gefasst; auch dabei wurde die Laufzeit in gleicher Weise verlängert.
Zuletzt wurde der Gesellschaftsvertrag vom 12.11.2003 neu unterzeichnet (Anl. K 1, Bl. I 21). Er enthält in § 9 die folgenden Regelungen zur Gewinnverteilung.
§ 9 Gewinn- und Verlustverteilung
(1) Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft sind die Partner jeweils mit dem Prozentsatz beteiligt, der dem Verhältnis der von ihnen erreichten Punktzahl zur erreichten Gesamtpunktzahl aller Partner entspricht. Für die Punktzahlen gilt folgendes:
(a) Der erreichbare Höchststand beträgt 125 Punkte. Die zum 1.1.2004 von den Partnern erreichten Punktzahlen ergeben sich aus Anlage 2 zu diesem Soz...