Leitsatz (amtlich)
›Die Krankentagegeldversicherung ist Summenversicherung, da nicht der jeweilige konkrete Verdienstausfall versichert ist, sondern der abstrakte Bedarf, von dem angenommen wird, daß er bei Arbeitsunfähigkeit eintreten könnte. Ein Anspruchsübergang nach § 67 VVG findet daher nicht statt.‹
Verfahrensgang
LG Tübingen (Aktenzeichen 3 O 198/99) |
Gründe
Die Berufung ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, abgewiesen. Der Klägerin steht der behauptete Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht nicht zu. Auch das gesamte Vorbringen der Klägerin in der Berufung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Krankentagegeldversicherung ist Summenversicherung (BGH VersR 76, 766 und 84, 690; OLG Köln VersR 94, 856; OLG Hamm VersR 96, 880 und 97, 862). Versichert ist nicht der jeweilige konkrete Verdienstausfall, sondern der abstrakte Bedarf, von dem angenommen wird, daß er bei Arbeitsunfähigkeit eintreten könnte.
Daran hat sich durch das Gesetz vom 21.07.1994, mit welchem §§ 178 a ff ins VVG eingefügt wurden, nichts geändert. § 178 a Abs. 2 VVG trifft keine Aussage darüber, ob eine Versicherung nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betrieben wird, sondern erklärt § 67 VVG lediglich für anwendbar, "soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird." Inwieweit dem so ist, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 178 b VVG nichts generell anderes. Zwar heißt es dort: "Dem Charakter der Tagegeldversicherung als einer nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betriebenen Summenversicherung entspricht es,...". Doch kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber die Tagegeldversicherung generell als nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betrieben einordnen wollte. Es ging nur darum, zu begründen, daß die Höhe der Versicherungsleistung wegen eines geringeren Einkommens auch unter der vereinbarten Höhe liegen kann, wie § 4 MBKT 94 bzw. der diesem entsprechende § 4 der hier vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen es vorsehen.
Diese Anpassungsmöglichkeit rechtfertigt keine Einordnung der Tagegeldversicherung als Schadensversicherung. Die Anpassung ist lediglich für die Zukunft möglich (§ 4 Abs. 4) und erfolgt nicht automatisch.
Einen solcher Automatismus enthält zwar Ziff. 3.1 des vereinbarten Tarifs KTN, der allerdings nur eine selbstverständliche Ausgestaltung von § 4 Abs. 2 MBKT 94 bzw. der vereinbarten Versicherungsbedingungen ist. Auf die Regelung in Ziff. 3.1 der Tarifbedingungen kann sich die Klägerin zur Untermauerung ihrer Argumentation nicht berufen. Dort geht es lediglich darum, daß wenn das Krankentagegeld aufgrund regelmäßiger automatischer tariflicher Leistungsanpassungen das Nettoeinkommen übersteigt, die Anpassungen zurückzunehmen sind. Es geht also nur um Leistungserhöhungen, die evtl. nicht zum Zuge kommen.
Schließlich ergibt sich für die von der Klägerin behauptete Einordnung der Tagegeldversicherung in den Bereich der Schadensversicherung nichts aus dem Umstand, daß tariflich wie bei der gesetzlichen Lohnfortzahlung, bei der es den Forderungsübergang für erbrachte Leistungen gibt, eine Karenzzeit vereinbart wurde. Die Karenzzeit ist für die Bewertung der Tagegeldversicherung als Summen- oder Schadensversicherung ohne Belang. Der Erwerbsschaden tritt beim Selbständigen sofort ein, ist also auch in der Karenzzeit vorhanden und vom Geschädigten beim Schädiger liquidierbar.
Alles in allem bleibt festzuhalten, daß die gesamte Argumentation der Klägerin die nicht vorhandene vollständige Kongruenz zwischen Schadensersatz und Krankentagegeld nicht zu überdecken vermag. Eine zwingende Notwendigkeit, diese Differenz durch eine Änderung der herrschenden Rechtsprechung zu überbrücken, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hätte bei entsprechendem Bedarf ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, korrigierend einzugreifen. Ebenso steht es der Klägerin frei, durch entsprechende Vereinbarungen das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Die aktuelle Prämienkalkulation beruht auf der derzeitigen Rechtslage und ist in diesem Rahmen in der Tagegeld- wie in der Haftpflichtversicherung angemessen. Ein Eingriff in das ausgeglichene System durch Änderung der Rechtsprechung ist nicht angezeigt.
Die Berufung war deshalb mit den sich aus §§ 97 Abs. 1, 706 Nr. 10, 711 ZPO ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.
Die Revision war dem Antrag der Klägerin entsprechend im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitfrage zuzulassen (§ 546 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2962615 |
VersR 2001, 49 |
OLGR-KS 2000, 208 |
www.judicialis.de 2000 |