Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 7 O 74/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.11.2022, Az. 7 O 74/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 750,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 02.02.2022 zu zahlen.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 86 %, das beklagte Land 14 %.
4. Dieses Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsverfolgungskosten wegen behaupteter Amtspflichtverletzung des beklagten Landes in Gestalt eines Verstoßes gegen die DS-GVO.
Der Kläger ist Pharmazeut und als Apotheker tätig. Im Juni 2018 befand er sich im 3. Abschnitt der pharmazeutischen Prüfung Frühjahr 2019.
Das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) - dort das Referat 95 "Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie" - hat als zuständige Behörde die praktische Ausbildung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ApprobationsO für Apotheker (AAppO) zu überwachen und die ordnungsgemäße Durchführung sicherzustellen.
Der Kläger leidet an MCS (Multiple Chemikalien-Sensitivität), reagiert also stark auf verschiedene Chemikalien, Staub, Ausdünstungen usw., insbesondere von Baumaterialien. Dabei genügt es, dem Staub oder den Ausdünstungen der Chemikalien ausgesetzt zu sein bzw. den Kleinstteilen, die sich im (Haus-)Staub einlagern. Symptomatisch äußert sich dies in Haarausfall, Übelkeit, Konzentrationsproblemen, Müdigkeit, Schwindel, Veränderungen des Blutbildes, Bindehautentzündung der Augen, allgemeinen Entzündungen sowie Herzrhythmus- und Schlafstörungen.
Ab dem 14.05.2018 absolvierte der Kläger seine praktische Ausbildungsstation in der S ...-A ... in H ..., deren Inhaber Herr K ... R ... ist. Schon zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses stand fest, dass in der Apotheke Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen. Dem Kläger wurde von Herrn R ... zugesagt, dass die gesundheitlichen Aspekte hinreichend berücksichtigt würden und dass er die entsprechenden Bereiche meiden könne (Bl. 34 LGA).
Nach Beginn der Baumaßnahmen im Juni 2018 und einer damit verbundenen Baustaubentwicklung plante der Kläger, seine Ausbildungsstätte zu wechseln, und richtete mit Schreiben vom 24.06.2018 ein entsprechendes Begehren an das RPS. Das Schreiben vom 24.06.2018 sandte er auch per E-Mail am 25.06.2018 um 01:10 Uhr (Anl. K 1.3 1.4 LGA) und per Fax am 25.06.2018 um 01:11 (Anl. K 2.5 - 2.6 LGA) an die zuständige Mitarbeiterin des RPS, Frau M ....
Das Schreiben/die E-Mail/das Fax lautet:
"R ... M ...
G ... X
7 ... B ...
E-Mail:RxxxMxxx9x@gxxx.de
Regierungspräsidium Stuttgart
Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie Referat 92
Nordbahnhofstraße 135
70191 Stuttgart
B ..., den 24.06.2018
Betr.: Wechsel der Ausbildungsstätte im praktischen Jahr
Sehr geehrte Frau M ...,
wie mit Ihnen telefonisch vereinbart, möchte ich Ihnen hier noch einmal meine momentane Situation und der Grund für den erbetenen Apothekenwechsel schildern:
Seit Montag, den 14.05.2018 arbeite ich im 1. Halbjahr des praktischen Jahres in der S ...-A ... in H .... Nun haben dort vor ungefähr einer Woche umfangreiche Umbauarbeiten begonnen, die wohl noch mehrere Monate anhalten werden. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten bin ich vermehrt Gipsstaub, Abdeckfolien, etc. ausgesetzt, die das für mich unverträgliche Ethylen-Vinylacetat (EVA) enthalten, sodass bei mir bereits jetzt die ersten Krankheitssymptome aufgetreten sind. Da das Ende der Bauphase nicht absehbar ist, möchte ich die Apotheke wechseln.
Voraussichtlich könnte ich das Praktikum bei Herrn K ... in der S ...-A ... H ... zu Ende zu führen. Ich könnte dort vermutlich am 1. Juli 2018 beginnen, direkt im Anschluss an meinen letzten Arbeitstag in der S ...-A .... Wäre das aus Ihrer Sicht möglich?
Das Attest für meine Allergie auf EVA, ein Attest meines Hausarztes bzgl. der aktuellen Gesundheitslage sowie das Gutachten des Prof. H ... meine Allergie betreffend lege ich bei.
Ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie mich aufgrund der Umstände, baldmöglichst - gerne vorab per E-Mail oder Fax - benachrichtigen würden.
Mit freundlichen Grüßen
R ... M ..."
Auf dem Briefkuvert (Anl. K 2.7 LGA) war folgendes vermerkt:
"vertrauliche Arztsache
darf nur durch Frau M ... geöffnet werden"
Diese E-Mail des Klägers vom 25.06.2018 um 01:10 Uhr (Anl. K 1.3 - 1.4 LGA) leitete Frau M ... am selben Tage um 14:18 Uhr (Anl. K 1.2 - 1.3 LGA) an Herrn R ... von der S ...-A ... weiter, mit der Bitte um Stellungnahme, wobei der Kläger in "cc" gesetzt war.
Herr R ... antwortet per E-Mail am 25.06.2018 um 15:27 Uhr (Anl. K 1.1 - 1.2 LGA) und teilte folgendes mit:
"Sehr geehrte Frau M ...,
ja, wir bauen etwas...