Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 2 O 147/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12.12.2018, Az. 2 O 147/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.654,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.09.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke Audi vom Typ A1 1.6TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) Wxxx nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.

(2) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 29.345,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.09.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Passat CC 2.0 TDI Coupé mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) Wxxx nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.

(3) Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten in Höhe von 2.251,48 EUR freizustellen.

(4) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 27 % und die Beklagte 73 %. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger 28 % und die Beklagte 72 %.

4. Das Urteil und - soweit die Berufungen zurückgewiesen werden - das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit die Anträge des Klägers auf Zahlung von Zinsen i. H. v. 4 % aus 16.340,00 EUR für den Zeitraum 23.12.2014 bis 14.09.2018 und aus 27.418,84 EUR für den Zeitraum 22.07.2011 bis 14.09.2018 (Deliktszinsen gem. § 849 BGB) abgewiesen werden.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil er zwei Pkw erworben hat, die vom sog. "Diesel(abgas)skandal" betroffen sind.

1. Der Kläger erwarb die auf S. 3 Absätze 1 und 2 des landgerichtlichen Urteils (i. F.: LGU) aufgeführten beiden Fahrzeuge. In beiden ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut, dessen Herstellerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist ferner Herstellerin des einen Fahrzeugs (VW Passat), nicht aber des anderen (Audi A1).

Die Motorsteuerung wurde von Mitarbeitern der Beklagten mit einer Software ausgestattet, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfahren hat. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert ("Modus 1"). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Im Betriebsmodus bei "normalem Straßenbetrieb" war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher ("Modus 0").

Der Kläger ließ bei beiden Fahrzeugen ein Software-Update der Beklagten aufspielen, mit dem der NOx-Ausstoß überarbeitet werden soll.

Der Kläger hat vorgebracht, die Software habe eine verbotene Abschalteinrichtung dargestellt. Die Beklagte habe sittenwidrig und betrügerisch gehandelt. Der Mangel sei trotz des Updates nicht behebbar. Der Nutzungsersatz sei auf Basis einer Gesamtfahrleistung von 350.000 km zu berechnen.

Die Beklagte hat vorgebracht, es habe keine verbotene Abschalteinrichtung vorgelegen, noch hafte sie hierfür. Sie habe weder hinsichtlich eines möglichen Schadens noch hinsichtlich einer möglichen Sittenwidrigkeit vorsätzlich gehandelt. Das Software-Update habe keine negativen Auswirkungen auf die vom Kläger gekauften Pkw. Ein Nutzungsersatz sei auf Basis einer Gesamtfahrleistung von 200.000 - 250.000 km zu berechnen.

2. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 831, 826 BGB. Vorliegend habe zumindest ein Verrichtungsgehilfe der Beklagten gehandelt. Die Motorsteuerungssoftware sei unstreitig durch Entwicklungs- und/oder Produktionspersonal der Beklagten im Rahmen der zugewiesenen Aufgaben eingebaut worden.

Der für die Beklagte handelnde Verrichtungsgehilfe habe den Tatbestand einer unerlaubten Handlung in Form der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 verwirklicht. Die konkludente Täuschung des Endkunden durch Inverkehrbringen der Fahrzeuge weise ein besonderes Maß an Verwerflichkeit auf und sei sittenwidrig.

Der Kläger habe durch den Vertragsschluss einen Schaden erlitten, weil die Fahrzeuge zwar formal über eine erteilte Typgenehmigung verfügt, dieser ab...

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