Leitsatz (amtlich)
1. Nach Umsetzung der Verbraucherrichtlinie RL 93/13/EG vom 5.4.1993 in inländisches Recht richtet sich die Inhaltskontrolle von zwischen Gemeinden und Privatleuten geschlossenen städtebaulichen Verträgen, die eine verbilligte Abgabe von Bauland an Einheimische beinhalten (sog. Einheimischenmodell), bei Mehrfachverwendung nicht mehr allein nach § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB, sondern auch nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes, weil die Gemeinde beim Verkauf von Bauland als Unternehmer i.S.d. § 24a AGBG (jetzt: § 310 Abs. 3 BGB) handelt (Anschluss an BGH v. 29.11.2002 - V ZR 105/02, MDR 2003, 378 = BGHReport 2003, 264 m. Anm. Grziwotz = NJW 2003, 888).
2. Die Vereinbarung einer Zahlpflicht in Höhe der Differenz zwischen dem verbilligten Verkaufspreis und dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Veräußerung durch die Gemeinde für den Fall der Weiterveräußerung vor Ablauf einer bestimmten Frist kann gegen §§ 9, 11 Nr. 5 lit. b AGB-Gesetz (jetzt: §§ 307, 309 Nr. 5 lit. b BGB) verstoßen, wenn das mögliche Fallen der Grundstückspreise und eine Weiterveräußerung an Einheimische nicht berücksichtigt sind sowie der Gemeinde im Vertrag zusätzlich noch ein Wiederkaufrecht eingeräumt ist.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 27.06.2005; Aktenzeichen 5 O 166/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Ravensburg vom 27.6.2005 - Az.: 5 O 166/05 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Klägerin auch über den geltend gemachten Betrag von 10.699 EUR zzgl. 8 EUR außergerichtlicher Mahnkosten hinaus kein Anspruch gegen die Beklagten zusteht.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwerte:
Berufungen der Beklagten: 10.699 EUR
Feststellungswiderklage: 1.069,66 EUR
insgesamt 11.768,66 EUR.
Gründe
I.1. Die Klägerin verlangt mit der Klage Zahlung zum Ausgleich dafür, dass die Beklagten ein Grundstück nach einem sog. Einheimischenmodell verbilligt erworben und dieses Grundstück nicht bis zum Ablauf der vereinbarten Frist zu Eigentum behalten haben, während die Beklagten widerklagend die Feststellung begehren, dass die Zahlpflicht auch über den geltend gemachten Betrag hinaus nicht bestehe.
Die Klägerin ist eine Gemeinde im Allgäu, in der jedenfalls in der Vergangenheit wegen der Nachfrage auch auswärtiger Interessenten ein starker Anstieg der Baulandpreise zu verzeichnen war. Um den Erwerb von Eigentum an Wohnraum durch die ortsansässige Bevölkerung zu fördern, veräußerte bzw. veräußert die Klägerin verbilligt Grundstücke an bauwillige Einheimische. Nach diesem sog. Einheimischenmodell erwarben die Beklagten aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 24.3.1997 (Anlage K2) im Hinblick auf die geplante Bebauung und Teilung nach dem WEG je 27,5/100-Miteigentumsanteile an einem auf dem Gebiet der Klägerin gelegenen Baugrundstück von 837 m2 Größe. Hierfür bezahlten sie anstatt des dem Verkehrswert entsprechenden Betrages von 355 DM je m2 lediglich 305 DM je m2, insgesamt anstatt 163.424,25 DM somit 140.406,75 DM, entsprechend anstatt 83.557,49 EUR lediglich 71.788,83 EUR. Im Grundbuch (Anlage K1) wurden die Beklagten am 30.6.2004 unter "Neufassung des Bestandsverzeichnisses" je zu einem Anteil von ½ an dem Miteigentumsanteil von 55/100 am Grundstück und am Sondereigentum betreffend eine Doppelhaushälfte eingetragen, die mittlerweile auf dem Grundstück errichtet worden war.
Weiter vereinbarten die Parteien in der Vertragsurkunde für den Fall der Veräußerung der Grundstücksanteile vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren neben einem Wiederkaufsrecht (§ 3 des Vertrages) in § 4 eine Zahlpflicht der Beklagten wie folgt:
a) Der heutige Verkehrswert des Kaufgrundstücks beträgt auf dem freien Markt 355 DM/m2. Die Stadt veräußert das Kaufgrundstück verbilligt, um einheimischen Bürgern den Bau eines Eigenheims zu ermöglichen.
Für den Fall, dass der Käufer ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Stadt das Kaufobjekt innerhalb von zehn Jahren ab heute ganz oder teilweise veräußert (als Veräußerung gilt bereits der Abschluss des entsprechenden schuldrechtlichen Vertrages) kann die Stadt im Allgäu vom Käufer für jeden Quadratmeter der vom Käufer veräußerten Grundstücksfläche die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem heutigen Verkehrswert des Kaufgrundstücks und dem oben unter § 2 Ziff. 1a) vereinbarten Kaufpreis, also 50 DM/m2, vom Käufer verlangen.
b) Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wird durch die Vereinbarung nach vorst. lit. a) nicht berührt. Der nach lit. a) zu zahlende Betrag wird auf etwaige Schadensersatzansprüche der Stadt im Allgäu angerechnet. ...
Die angeführten Vertragsklauseln entstammen einem Vertragsmuster der Klägerin, das diese in der Vergan...