Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen 4 O 184/18)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 20.03.2019, Az. 4 O 184/18, abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.545,78 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer .....

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziff. 1 bezeichneten Pkw im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Auslagen in Höhe von EUR 729,23 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.231,73 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Skandal" geltend.

Er erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug, einen VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI mit verbindlicher Bestellung vom 31.08.2010 als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 38.000,00 EUR (s. Rechnung Anl. K 1). Im Zeitpunkt der Klageerhebung lag der Kilometerstand bei 221.950 km, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Ulm am 30.01.2019 bei 244.665 km, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat bei 272.007 km.

Der Pkw des Klägers, den die Beklagte hergestellt hat, ist mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet und vom sogenannten Diesel- oder Abgasskandal betroffen. Der Motor des Fahrzeugs verfügte über eine Software, die in der Lage war, zu erkennen, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befand. In diesem Fall schaltete die Software den Motor automatisch vom Betriebsmodus 0, unter dem das Fahrzeug normalerweise im Straßenverkehr betrieben wird, zum Betriebsmodus 1, in dem die Abgasrückführungsrate erhöht wird, wodurch insbesondere weniger Stickoxide ausgestoßen werden.

Das Kraftfahrtbundesamt erließ eine Anordnung, mit der der Beklagten aufgegeben wurde, die betroffenen Fahrzeuge - darunter auch das Fahrzeug des Klägers - zurück zu rufen, die Software, bei der es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.

Daraufhin leitete die Beklagte in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt eine Rückrufaktion ein, bei der - nach Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt - sukzessive auf die betroffenen Fahrzeuge sogenannte "Software-Updates" aufgespielt wurden. Das Software-Update ist beim Fahrzeug des Klägers am 08.02.2017 durchgeführt worden.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.06.2017 machte der Kläger Ansprüche aus deliktischer Haftung geltend.

Der Kläger macht geltend, es habe sich bei der verbauten Software um eine illegale Abschalteinrichtung gehandelt, weshalb dem Fahrzeug die Typgenehmigung nicht hätte erteilt bzw. nachträglich hätte entzogen werden müssen. Die Klägerin sei über den Umstand, dass die Typgenehmigung erschlichen war, beim Erwerb des Fahrzeugs getäuscht worden. Die Beklagte habe bewusst und heimlich aus übermäßigem Gewinnstreben das Fahrzeug mit einer illegalen Abschalteinrichtung ausgestattet, weil sie sich anders nicht in der Lage gesehen habe, die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaswerte einzuhalten. Daran ändere auch das nachträglich aufgespielte Software-Update nichts.

Es sei auch davon auszugehen, dass die Entwicklung und der Einsatz der Manipulationssoftware in Kenntnis des Vorstands der Beklagten erfolgte. Der Beklagten obliege hinsichtlich der Frage, welche Vorstandsmitglieder und sonstige Mitarbeiter der Beklagten wann und in welchem Umfang Kenntnis bezüglich des Einsatzes der illegalen Abschalteinrichtung hatten, eine sekundäre Darlegungslast.

Die Beklagte hafte deshalb wegen sittenwidriger Schädigung aus §§ 826 i.V.m. § 31 BGB sowie auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Fall 2 StGB. Der Vertrag sei unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung rückabzuwickeln. Als Wert für die erwartbare Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs seien 300.000 km zugrunde zu legen, so dass sich bei 221.950 gefahrenen Kilometern ein anzurechnender Nutzungsersatz in Höhe von 28.113,66 EUR ergebe.

Der Klägerseite seien Rechtsanwaltskosten in Höhe...

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