Leitsatz (amtlich)
1) Ein Beamter darf sich bei Äußerungen im Wahlkampf im Rahmen seiner durch Art. 5 GG und Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit auch zugespitzter Formulierungen bedienen sowie darüber informieren, welchen Beruf er ausübt. Er muss allerdings seine beamtenrechtlichen Kernpflichten wie die Pflicht zur Verfassungstreue, zur Neutralität und zur Mäßigung auch in diesem Rahmen beachten.
2) Ein Staatsanwalt unterliegt einer gegenüber anderen Beamten verstärkten Neutralitätspflicht. Er verstößt mit in sehr zugespitzter Form verfassten bzw. verbreiteten, in ihrem Schwerpunkt migrantenfeindlichen (u. a. "Migrassoren", "Invasion"), islamophoben sowie die deutsche Justiz delegitimierenden (u. a. "Gesinnungsjustiz") Text- und Bildbeiträgen im Internet, für die er bewusst verstärkend die Autorität seines Amtes mit in Anspruch nimmt, auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Äußerungen im Rahmen von Wahlkämpfen erfolgten, gegen seine beamtenrechtlichen Kernpflichten in schwerwiegender Weise.
3) Mit einem solchen über längere Zeit kontinuierlich praktizierten Verhalten hat er das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit in seine pflichtgemäße Amtsführung unwiederbringlich und endgültig zerstört. Die Entfernung aus dem Dienst - die härteste disziplinarische Maßnahme - ist deshalb unumgänglich und verhältnismäßig mildere Disziplinarmittel reichen nicht aus.
Normenkette
AbgG § 5; BeamtStG §§ 33-34, 47; DRiG §§ 79, 122; EMRK Art. 10; GG Art. 5, 33, 38; LDG §§ 26, 31; LRiStAG §§ 72, 76a, 76b, 90, 93
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen RDG 1/17) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe vom 13. August 2018 - RDG 1/17 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wurde am ... in ... geboren. Er war in erster Ehe seit 27.09.1996 verheiratet. Aus der Ehe sind 2 Kinder hervorgegangen. Die Ehe wurde geschieden. In zweiter Ehe ist der Beklagte seit 06.02.2016 verheiratet. Der Beklagte absolvierte Grundschule und Gymnasium in ..., danach den Wehrdienst. Daran schloss sich das Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg und Lausanne an, welches er am 10.01.1994 mit dem ersten Staatsexamen abschloss. Nach dem Referendariat am Landgericht ... folgte am 01.04.1996 das zweite Staatsexamen, welches er ebenso wie das erste Staatsexamen mit der Note ... ablegte.
Am 02.09.1996 wurde der Beklagte zum Richter auf Probe am Landgericht ... ernannt, dann bei der Staatsanwaltschaft ... und am Amtsgericht ... eingesetzt. Mit Urkunde vom 30.05.2000 wurde der Beklagte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt ernannt, war jedoch zugleich als Richter kraft Auftrags zunächst am Amtsgericht ..., anschließend am Landgericht ... tätig. Mit Urkunde vom 25.03.2002 wurde er zum Richter am Amtsgericht ernannt und arbeitete in der Folgezeit beim Amtsgericht .... Zum 01.01.2008 folgte eine Abordnung an die Staatsanwaltschaft ..., am 07.01.2008 die erneute Ernennung zum Staatsanwalt. Seit diesem Zeitpunkt war der Beklagte als Dezernent für Verkehrsstrafsachen in der Abteilung 5 bei der Staatsanwaltschaft ... tätig, seit 01.05.2014 aus gesundheitlichen Gründen in einer Teilzeitbeschäftigung zu 80 Prozent. Die letzte Regelbeurteilung datiert vom 31.08.2016 und schließt mit dem Gesamturteil "...".
Berücksichtigungsfähige disziplinarrechtliche Maßnahmen liegen nicht vor.
Am 12.08.2016 bat die AfD-Fraktion im Landtag des Landes Baden-Württemberg um Zuweisung des Beklagten (bei gleichzeitiger Beendigung der Teilzeit), nahm aber kurz darauf von diesem Antrag wieder Abstand. Bei der Bundestagswahl im Oktober 2017 kam der Beklagte, der zuvor 2016 schon bei der Landtagswahl kandidiert hatte, über die Landesliste der AfD Baden-Württemberg über den Wahlkreis ... als Abgeordneter in den 19. Bundestag.
Auf seiner öffentlich zugänglichen Facebook-Seite mit der Bezeichnung "www.facebook.com/..." und auf seiner Internet-Seite "..." stellte der Beklagte im Zeitraum Oktober 2015 bis Mai 2017 unter anderem die folgenden Beiträge ein, wobei einige wegen ihres Umfangs an dieser Stelle lediglich teilweise bzw. auszugsweise zitiert werden:
1) Am 27.11.2015 stellte er auf seiner Facebook-Seite ein Bild von sich ein, auf welchem er mit einer Plakette der AfD auf der linken Seite seines Hemdes und einer samtbesetzten Robe über der rechten Schulter abgelichtet ist. Während das Profilbild des Beklagten mit Robe und Plakette der AfD schon bzw. noch online war, veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite die folgenden Beiträge:
Am 29.02.2016 äußerte er bezugnehmend auf einen in der Badischen
Zeitung veröffentlichten Artikel:
"Eine Richtigstellung zum Artikel: Ich bin Staatsanwalt, nicht Oberstaatsanwalt"
In einem Beitrag vom 07.03.2016 auf der Facebook-Seite zitierte der Beklagte
zunächst die Aussage eines Stadtrats, wonach es erschreckend sei,
dass für die AfD bei uns ein Staatsanw...