Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anklageschrift wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitzes jugendpornographischer Schriften wird ihrer verfahrensbegrenzenden Funktion bereits dadurch gerecht, dass sie neben dem Angeschuldigten den Ort und die Zeit der Tatbegehung bestimmt, die Bild- und Videodateien beziffert und, unter Angabe der sichergestellten Speichermedien, deren Inhalt zusammengefasst darstellt.
2. Eine Darlegung der genauen Inhalte der als kinder- und jugendpornographisch qualifizierten Bild- und Videodateien ist zur Umgrenzung des Prozessgegenstandes nicht - auch nicht exemplarisch - erforderlich. Der für die Urteilsgründe geltende Darstellungsmaßstab gilt aufgrund der unterschiedlichen Funktion für Anklagen nicht.
3. Die Unvollständigkeit der nur der Tatbeschreibung dienenden Angaben betrifft die Informationsfunktion der Anklage und begründet kein Prozesshindernis.
Normenkette
StGB § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3; StPO § 200 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Oberndorf (Aktenzeichen 3 Ds 17 Js 520/15) |
LG Rottweil (Entscheidung vom 02.05.2019; Aktenzeichen 11 Ns 17 Js 520/15) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts - 11. Kleine Strafkammer - Rottweil vom 2. Mai 2019
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Rottweil
zurückverwiesen.
Gründe
I.
1. Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat am 7. August 2017 beim Amtsgericht Oberndorf am Neckar Anklage gegen B. S. wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitzes jugendpornographischer Schriften erhoben.
2. Das Amtsgericht Oberndorf am Neckar hat die Anklage mit Beschluss vom 3. Januar 2018 ohne Änderungen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 19. März 2018 wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Von der verhängten Strafe gelten zwei Monate als vollstreckt. Die Feststellungen des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar zum Sachverhalt entsprechen denjenigen im Anklagesatz vom 7. August 2017 und beruhen u. a. auf dem weitgehenden Geständnis des Angeklagten.
3. Auf die rechtzeitig und zulässig eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht - 11. Kleine Strafkammer - Rottweil mit Urteil vom 2. Mai 2019 das Urteil des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 19. März 2018 aufgehoben und das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Das Landgericht Rottweil vertritt die Ansicht, das erstinstanzliche Urteil sei aufzuheben und das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Rottweil vom 7. August 2017 sei unwirksam, weil sie ihre Umgrenzungsfunktion nicht erfülle.
4. Gegen dieses Urteil des Landgerichts Rottweil wendet sich die Staatsanwaltschaft Rottweil mit ihrer am 3. Mai 2019 beim Landgericht Rottweil eingegangenen Revision zuungunsten des Angeklagten. Ihre Revision hat die Staatsanwaltschaft Rottweil mit Schreiben vom 9. Mai 2019, beim Landgericht eingegangen am 15. Mai 2019, begründet, die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und beantragt, das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 2. Mai 2019 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Rottweil zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart ist der Revision der Staatsanwaltschaft Rottweil mit Schreiben vom 21. August 2019 beigetreten und hat beantragt, Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen. Der Verteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 17. September 2019 beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft Rottweil zu verwerfen.
II.
1. Der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft Rottweil vom 7. August 2017 lautet:
"Am 5. März 2015 gegen 07:10 Uhr hatte der Angeschuldigte in seiner Wohnung in78727 Oberndorf am Neckar, ...straße ..., auf folgenden Datenträgern in folgenden Bereichen insgesamt 4.101 Bilddateien und 250 Videodateien, die jeweils ganz oder teilweise entkleidete Jungen und Mädchen unter 14 Jahren beim vaginalen, oralen oder analen Geschlechtsverkehr mit anderen Minderjährigen oder Erwachsenen, der durchgeführten oder gestellten Selbstbefriedigung oder anderen durchgeführten oder realistisch gestellten eindeutig sexuellen Handlungen, insbesondere dem künstlich gestellten unnatürlichen Hervorheben der entblößten Vagina alleine oder zu mehreren zum Zwecke der sexuellen Erregung des Betrachters zeigen, gespeichert. Dies wusste der Angeschuldigte oder nahm es zumindest billigend in Kauf.
Zum genannten Zeitpunkt hatte der Angeschuldigte zudem aufgrund desselben einheitlichen Willensentschlusses in seiner Wohnung unter der angegebenen Adresse auf folgenden Datenträgern in folgenden Bereichen insgesamt 4.484 Bilddateien und 293 Videoda...