Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer selbständigen Bauleistung i.S.v. § 2 Nr. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch den Auftraggeber (ABN) - Fassung 1995 (im Anschluss an BGHZ 75, 62 = VersR 1979, 856) 2. Eine von Anfang an mangelhafte, nach § 2 Nr. 3 ABN nicht entschädigungspflichtige Bauleistung liegt vor, wenn in bereits erstellte Schalungen von Stahlbetonwänden durch eine Fachfirma Lüftungsrohre eingebracht werden, die aufgrund ihrer zu gering dimensionierten Wandstärke dem Druck des eingefüllten Betons nicht standhalten.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 22. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 9.5.2005 - 22 O 95/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zzgl. eines Aufschlags von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. eines Aufschlags von 10 % leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 234.443 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin, Auftraggeberin eines Museumsneubaus in der ... in ..., macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Bauleistungsversicherung geltend. Dieser liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäuden durch Auftraggeber (ABN)-Fassung Januar 2001 sowie Besondere Vertragsbedingungen, die aus dem Versicherungsschein vom 21.8.2002 (Bl. 121 ff. d.A.) ersichtlich sind, zugrunde.
Im Juli 2003 wurden die Außenwand in der Achse G und die Mittelwand bei der Achse E betoniert. Die Wände waren in Ortbeton herzustellen. In die Wände waren Lüftungskanäle mit Kreisquerschnitt derart einzubauen, dass diese Kanäle genau mittig zwischen die Bewehrungen gestellt wurden. Die Kanäle waren senkrecht in die bis zu 14 m hohen Wände einzulegen. Durch ein Fachplanungsbüro ließ die Klägerin die Kanalquerschnitte mit Stahlblech in einer Wanddicke von 2,0 mm festlegen und ausschreiben und erteilte auf dieser Grundlage einer Lüftungsbaufirma den Auftrag zur Lieferung und zum Einbau der Kanäle. Auf Anordnung des Mitarbeiters des Fachingenieurbüros wurde ggü. der Lüftungsbaufirma später eigenmächtig angeordnet, dass neben Rundrohren auch Rechteckquerschnitte zur Ausführung kommen sollten.
Die Lüftungsbaufirma lieferte Rundrohre und Rechteckrohre mit einer Wandstärke von nur 1,2 mm und baute diese zwischen den Schalplatten ein. Die von der Klägerin beauftragte Rohbaufirma begann mit den Betonverfüllungsarbeiten Anfang Juli 2003. Anlässlich eines Baustellenrundgangs am 18.7.2003 stellte ein Mitarbeiter des bauleitenden Architekten der Klägerin mit dem Mitarbeiter des Fachingenieurbüros und dem örtlichen Bauleiter der Lüftungsbaufirma leichte Verformungen der eingelegten Kanäle fest. Der Mitarbeiter des Architekten vermerkte in seinem Bautagebuch (Bl. 55 d.A.), dass er vorgeschlagen habe, bei den weiteren Betonierabschnitten die Rohre mit Sand zu verfüllen. Dies habe der Mitarbeiter des Fachplanungsbüros jedoch nicht für erforderlich gehalten.
Die eingebauten Rohre wurden durch das Einbringen des Flüssigbetons verformt und ihr Querschnitt dadurch in einem Maße verringert, dass sie für ihre Funktion als Lüftungskanäle untauglich waren.
Zur Behebung des Schadens wurden die eingebauten Lüftungskanäle entfernt und durch neue ersetzt. Dazu war es erforderlich, die Betonwände aufzuschneiden, bis die Armierung freilag und die zerstörten Lüftungskanäle zugänglich waren. Nach dem Einsetzen neuer Rohre war die Wand wieder zu verschließen. Die dafür aufgewandten Kosten - nach Abzug des vereinbarten Selbstbehalts i.H.v. 5.000 EUR - i.H.v. 232.443 EUR verlangt die Klägerin von der beklagten Versicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostenaufstellung vom 7.8.2004 (Anl. K 3 bis K 29 zur Klageschrift) sowie die Ausführungen in der Berufungsbegründung (dort IV. - Bl. 159 ff. d.A.) verwiesen. Nicht abgerechnet sind die Kosten der zerstörten und die Kosten für die Lieferung und Montage der neuen Rohre.
Nach den zwischen den Parteien unstreitigen Feststellungen des Sachverständigen ... im Gutachten vom 11.3.2004 (Anl. K 2 zur Klageschrift) hätten Rundrohre der ausgeschriebenen und vereinbarten Wandstärke von 2,0 mm dem Betondruck ohne Verfüllung mit Sand standgehalten. Bei Rundrohren mit einer Wandstärke von 1,2 mm wäre dies nur der Fall gewesen, wenn sie bei den Betonierungsarbeiten durch Verfüllung mit Sand geschützt worden wären. Auch Rechteckrohre der Wandstärke 2,0 mm hätten bei einer Verfüllung mit Sand dem Betondruck standgehalten. Ohne Verfüllungsmaßnahmen wäre bei Reckeckrohren eine Wandstärke von 4,0 mm erforderlich gewesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das verwirklichte Risiko sei nach §§ 2 Nr. 1, 9 Nr. 3 ABN versichert...