Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird verworfen, soweit er eine um 348,07 EUR höhere Freistellung von Rechtsanwaltskosten begehrt.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 15.03.2019 (Az. 1 O 66/18 Bm) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.889,10 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.06.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Caddy Maxi Trendline 7-Sitzer, 2,0 l TDI, Fahrzeug-Ident-Nr. ....

III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

VI. Das Urteil des Senats und - im Umfang der Zurückweisung der Berufung - das des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 38.007,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines vom sogenannten "Abgasskandal" betroffenen Dieselfahrzeugs geltend.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind wechselseitige Rechtsmittel der Parteien.

1. Der Kläger, ein Taxiunternehmer, erwarb aufgrund schriftlicher Bestellung vom 11.08.2015 von der Beklagten, vertreten durch die Fa. ..., ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug VW Caddy Maxi Trendline 7-Sitzer, 2,0 l TDI, mit Taxiausstattung, Fahrzeug-Ident-Nr.: ... bei einem Kilometerstand von 10 km. Aus der verbindlichen Bestellung ergibt sich ein Kaufpreis einschließlich Sonderausstattungen, Überführungspauschale und Kraftfahrzeugbrief-Gebühr von insgesamt 38.007,50 EUR einschließlich Umsatzsteuer sowie ein Nachlass von 20 % (Anlage K 1, Bl. 20). Das Fahrzeug unterliegt der Schadstoffnorm Euro 5 und ist mit einem von der Beklagten produzierten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die Beklagte hat eine Übereinstimmung des Fahrzeugs mit der EG-Typgenehmigung bestätigt.

Die Motorsteuerung des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet gewesen, die erkannt hatte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfuhr. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert ("Modus 1"). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Im regulären "Straßenbetrieb" war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher ("Modus 0").

Das Kraftfahrtbundesamt hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015 verpflichtet, die Motorsteuerung der Fahrzeuge mit den Motoren EA 189 nach Euro 5 dahin anzupassen, dass eine Unterscheidung zwischen Prüfstandsmodus und Alltagsbetrieb entfällt. Der Kläger hat am 20.06.2016 eine von der Beklagten zur Verfügung gestellte technische Maßnahme (Softwareupdate, ggf. mit kleineren technischen Anpassungen) an seinem Fahrzeug vornehmen lassen, durch welche die Motorsteuerung in einem adaptierten Modus betrieben wird.

Der Kläger hat mit Klage vom 11.05.2018 geltend gemacht, die Beklagte habe die Käufer der von ihr hergestellten Fahrzeuge im Rahmen einer massenhaften Verbrauchertäuschung betrogen und in sittenwidriger Weise geschädigt. Im Jahr 2004 habe die R. B. GmbH im Auftrag der A. AG eine Motorsteuerungssoftware als Abschalteinrichtung für Dieselmotoren entwickelt, die später in der Abteilung Antriebstechnik, Motoren und Übertragung unter Leitung von W. H. weiterentwickelt worden sei. In der Folgezeit habe der Vorstand der Beklagten durch personelle Überschneidungen genaue Kenntnis von den Vorgängen gehabt. Der Vorstandsvorsitzende der A. AG von 2002 bis 2007, M. W., sei im Jahr 2007 Vorstandsvorsitzender der Beklagten geworden, mit ihm sei Herr H. zur Beklagten gewechselt. Der seit 2002 bei der A. AG beschäftigte leitende Chefentwickler U. H. sei 2007 zur Beklagten gekommen und von 2013 bis 2015 zur A. AG zurückgekehrt. Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten festgestellt, dass eine angestrebte Optimierung (Verringerung) der Stickoxidwerte durch eine erhöhte Abgasrückführung zu Problemen führe. Es komme zu einem schnellen Zusetzen der Partikelfilter, und das wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter hätten dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits nach einer Laufleistung von um die 50.000 km ihren Dienst einst...

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