Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, wonach eine Vertragserfüllungsbürgschaft, die die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz sowie die Erstattung von Überzahlungen absichern soll, erst nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche auf Verlangen in eine Gewährleistungsbürgschaft umgewandelt wird, verstößt nicht gegen § 307 BGB.
2. Eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ergibt sich angesichts deren Reichweite unter Einbeziehung von Rückerstattungsansprüchen insbesondere nicht daraus, dass für einen vorübergehenden Zeitraum der Auftragnehmer neben einer Vertragserfüllungsbürgschaft über 5 % der Auftragssumme zusätzlich einem - durch Bürgschaft abzulösenden - Gewährleistungseinbehalt von 5 % der Abrechnungssumme ausgesetzt ist.
Normenkette
BGB §§ 765, 307
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 15 O 368/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die im Werkvertrag zwischen der Klägerin und der W. GmbH vom 11.7.2002 enthaltene Sicherungsabrede gem. Ziff. 6.1 BVB in Verbindung mit Ziff. 33.1 ZVB - mit der Verpflichtung einer nicht auf erstes Anfordern lautenden selbstschuldnerischen Bürgschaft - wirksam ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil überlassen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die auch der Absicherung auf etwaige Überzahlungen gestützter Ansprüche dient, die Zahlung der gesamten Bürgschaftssumme, weil unter Berücksichtigung nicht erbrachter Leistungen, nicht berechtigter Rechnungen und Mängel der Werkleistung der Schuldnerin, der insolventen W. GmbH (Insolvenzschuldnerin), eine Überzahlung i.H.v. 385.653,18 EUR vorliege.
In den Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin vom 11.7.2002 wurden auf Veranlassung der Klägerin allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen.
In den BVB (besondere Vertragsbedingungen) der Klägerin heißt es unter Ziff. 6 Sicherheitsleistung (§§ 16 und 17):
"Für Bürgschaften gilt Nr. 34 ZVB."
Ziff. 6.1 BVB lautet:
"Ab einer Auftragssumme von 50.000 EUR gilt folgendes:
Als Sicherheit für die Vertragserfüllung nach Nr. 33.1 ZVB hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach dem Formblatt KEFB. Sich1 i.H.v. 5 v.H. der Auftragssumme zu stellen ...
Nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Bürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß Formblatt KEFB. Sich2 i.H.v. 5 v.H. der Abrechnungssumme (Bruttosumme) umgewandelt wird."
Unter Ziff. 6.2. ZVB heißt es:
"Ab einer Auftragssumme von 50.000 EUR gilt folgendes:
Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einschl. Schadenersatz und für die Erstattung von Überzahlungen werden 5 v.H. der Auftragssumme einschl. der Nachträge (Bruttosumme) einbehalten, nach Feststellung der Abrechnungssumme ist diese maßgebend.
Der Auftragnehmer kann stattdessen eine Gewährleistungsbürgschaft nach dem Formblatt KEFB-Sich 2 stellen."
Unter Nr. 33 der ZVB (zusätzliche Vertragsbedingungen) steht:
"33.1 Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadenersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen.
33.2: Die Sicherheit für Gewährleistung erstreckt sich auf die Erfüllung der Ansprüche auf Gewährleistung einschließlich Schadenersatz sowie auf die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen."
Nr. 34.4. ZVB hat den Wortlaut:
"Bei Bürgschaften hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anforderung an den Auftraggeber zu zahlen."
Ziff. 34.6 ZVB lautet:
"Die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf die Anlagen K 1 und K 5 verwiesen.
Die Beklagte hat am 7.8.2002 eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern auf dem Formblatt KEFB - Sich 1 über 212.686 EUR abgegeben. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Bürgschaft wird auf die Anlage K 6 verwiesen.
Zum Sach- und Streitstand erster Instanz hinsichtlich des Bestehens eines Anspruchs gegen die Bürgin dem Grunde nach wird im Übrigen auf den Tatbestand des Urteils des LG Stuttgart vom 4.8.2009 - 15 O 368/08, verwiesen.
Mit diesem Urteil hat das LG Stuttgart die Klage abgewiesen. Die vertragliche Verpflichtung zur Stellung der geltend gemachten Bürgschaft sei gem. § 307 BGB unwirksam und könne deshalb zurückgefordert werden.
D...