Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 25.08.2020; Aktenzeichen 16 O 428/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.08.2020, Az. 16 O 428/19, abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.226,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2019 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 43 % und die Beklagte 57 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
54.805,56 EUR bis zur Bezifferung des Leistungsantrages im Schriftsatz vom 08.07.2021 und
34.992,96 EUR nach der Bezifferung.
Streitwert des Auskunftsanspruches: bis 5.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte in erster Instanz auf Rückzahlung der geleisteten Prämien sowie Herausgabe gezogener Nutzungen nach Widerruf eines Rentenversicherungsvertrages in Anspruch genommen.
Unter dem Datum vom 27.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Rentenversicherung mit Todesfallabsicherung (Anl. K 1).
Die Beklagte nahm den Antrag an und policierte den Vertrag, der unter der Versicherungsnr. ... geführt wurde, mit Datum vom 17.11.2009 (Versicherungsschein in Anl. K 1). Das Policenbegleitschreiben vom gleichen Tag (Anl. K 1) enthielt auf der zweiten Seite eine Widerrufsbelehrung.
Mit Schreiben vom 20.05.2019 (Anl. K 2) erklärte der Kläger den "Widerspruch", den die Beklagte unter dem Datum vom 24.05.2019 zurückwies (Anl. K 3).
Mit Anwaltsschreiben vom 14.06.2019 (Anl. K 4) erklärte der Kläger erneut den "Widerspruch" und forderte die Beklagte u. a. zur Bestätigung des Widerspruchs und Erteilung diverser Auskünfte auf, was die Beklagte mit Datum vom 03.07.2019 ablehnte (Anl. K 5).
Der Kläger, der erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 54.805,56 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie zur Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.954,46 EUR erstrebt hatte, hat im Wesentlichen vorgetragen,
der Kläger habe lediglich die von ihm eingereichten Unterlagen erhalten, nicht jedoch die Versicherungsbedingungen und die erforderlichen Informationen gemäß § 7 Abs. 1 und 2 VVG. Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere fehle es an einer deutlichen Gestaltung der Widerrufsbelehrung. Darüber hinaus habe die Beklagte die erforderlichen Vertragsinformationen gemäß § 7 Abs. 1 und 2 VVG i.V.m. §§ 1, 2 VVG-InfoV nicht vollständig erteilt. So fehlten z.B. die Angabe einer Antragsbindungsfrist sowie eine Mitteilung über die in die Prämie einkalkulierten Kosten.
Der Kläger, dessen Anspruch nicht verwirkt sei, könne deshalb die Rückzahlung der geleisteten Prämien und Herausgabe der gezogenen Nutzungen verlangen, was zu einem Anspruch in der geltend gemachten Höhe führe.
Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat ausgeführt,
dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Der Kläger habe bereits im Antragsformular den Erhalt der maßgeblichen Unterlagen bestätigt. Im Policenbegleitschreiben sei der Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Weiter habe die Beklagte die gemäß § 7 Abs. 1 und 2 VVG erforderlichen Informationen erteilt. Selbst wenn sich einzelne Informationen als intransparent oder unvollständig erweisen würden, begründe dies kein Widerrufsrecht des Klägers. Weiter habe der Kläger seinen Anspruch verwirkt.
Nicht zuletzt sei die Berechnung der Anspruchshöhe zu beanstanden. Selbst wenn der Kläger den Vertrag wirksam widerrufen habe, stehe ihm vorliegend kein Bereicherungsanspruch gemäß den §§ 812, 818 BGB zu, sondern ein sich aus den §§ 9, 152 VVG ergebender Zahlungsanspruch.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 25.08.2020 (GA 79 bis 88) die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung sei formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Darüber hinaus habe die Beklagte dem Kläger sämtliche erforderlichen Informationen gemäß § 7 Abs. 1 und 2 VVG erteilt, wobei davon auszugehen sei, dass der Kläger sämtliche maßgeblichen Vertragsunterlagen erhalten habe.
Hinsichtlich der weiter...