Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 26.06.2019; Aktenzeichen 14 O 481/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.06.2019, Az. 14 O 481/18, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.06.2019, Az. 14 O 481/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
Der Kläger kaufte am 22. September 2016 von Frau A. K. in D.ein gebrauchtes Kraftfahrzeug VW Tiguan. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit dem Motor EA 189 ausgestattet. Es wurde erstmals im Januar 2009 zugelassen.
Das Fahrzeug ist von der Problematik betroffen, die in der Öffentlichkeit unter den Schlagworten "Abgasskandal" oder "Dieselskandal" diskutiert wird.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ, also unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr, wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Das KBA ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Im Jahr 2016 erließ das KBA für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eine Freigabebestätigung, nach welcher ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen.
Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für alle Schäden, die aus der Manipulation der Schadstoffemissionswerte durch die Verwendung von ihm Fahrbetrieb abgeschalteter Abgasreinigungseinrichtungen resultieren. Ferner begehrt er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.461,32 EUR. Hilfsweise begehrt er die Rückzahlung des vollständigen Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge und Hilfsanträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Der als Hauptsacheantrag geltend gemachte Feststellungsantrag sei unzulässig, da das Feststellungsinteresse fehle. Der Hilfsantrag Ziff. 1a sei zulässig. Der Kläger habe danach gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.886,95 EUR Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Der Anspruch bestehe, obwohl der Kläger das Fahrzeug 2016, also nach dem allgemeinen Bekanntwerden der "Dieselthematik" erworben habe. Das Gericht sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem Kläger beim Kauf am 22. September 2016 nicht bekannt gewesen sei, dass das Fahrzeug mit einer entsprechenden Software ausgestattet sei. Der Schaden des Klägers sei nicht durch das Aufspielen des Softwareupdates entfallen. Allerdings müsse sich der Kläger beim Schadensersatz die Nutzungsvorteile anrechnen lassen, die mit 4.613,05 EUR zu bewerten seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Urteil wird von beiden Parteien mit der Berufung angegriffen.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung den vom Landgericht abgewiesenen Feststellungsantrag weiter. Hilfsweise beantragt er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des gesamten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.
Der Feststellungsantrag sei zulässig. Das notwendige Feststellungsinteresse sei gegeben. Der Abzug von Nutzungsersatz widerspre...