Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Verpflichtung zum Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt (bei Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis)
Leitsatz (amtlich)
1.
Die Erteilung der Zulassung als Vertrags-(Kassen)arzt gem. §§ 101 ff SGB V ist als öffentlich-rechtlicher Akt rechtlich streng von den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen, die durch die Übernahme einer bestimmten Praxis oder den Abschluß eines Gesellschaftsvertrags zur Bildung einer Gemeinschaftspraxis bewirkt werden, zu trennen.
Die Erteilung einer Zulassung in Nachfolge des bisherigen Zulassungsinhabers zwingt den begünstigten Arzt zulassungsrechtlich daher nicht zum Eintritt in die Praxis seines Zulassungsvorgängers. Eine solche Pflicht kann nur zivilrechtlich begründet werden.
2.
Zulassungsrechtlich steht es dem Inhaber deshalb frei, eine Gemeinschaftspraxis zu verlassen und sich im Zulassungsgebiet anderweitig niederzulassen.
3.
Eine schuldrechtliche Verpflichtung zum Verzicht auf die Zulassung bei Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis ist wegen der damit verbundenen Beschränkungen der Berufsfreiheit gem. § 138 BGB allenfalls dann rechtlich wirksam, wenn dem ausscheidenden Partner hierfür ein angemessener Ausgleich gewährt wird.
Normenkette
BGB § 138; GG Art. 12; HGB § 74; SGB V § § 101 ff., § 103
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 26 O 171/99) |
Nachgehend
Tenor
I.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28.04.2000 wird
zurückgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 25.000,– abwenden, sofern der Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Berufungsstreitwert und Beschwer der Kläger: |
480.000,– DM. |
Tatbestand
Die Parteien sind Internisten. Der Beklagte war kurzzeitig Partner der von den Klägern geführten Gemeinschaftspraxis. Diese nehmen ihn auf Schadenersatz in Anspruch, da er bei seinem Ausscheiden aus der Praxis pflichtwidrig nicht auf seine Zulassung als Vertragsarzt verzichtet und dadurch bewirkt habe, dass sie ihre dritte Vertragsarztstelle nicht hätten wiederbesetzten können und hierdurch einen Schaden in Höhe von 480.000,– DM erlitten hätten.
Die Kläger sind seit 1975 in einer Gemeinschaftspraxis als Kassen- bzw. Vertragsärzte in E. miteinander verbunden. Ab 1992 wurde in die Praxis ein dritter Kollege aufgenommen, zunächst bis 31.03.1993 Dr. K. in der Zeit vom 01.10.1993 bis 30.09.1995 Frau Dr. O. deren Nachfolger trat der Beklagte zur Jahreswende 1995/96 in die Praxis ein, nachdem er durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte I im Zulassungsbezirk Nord-Württemberg am 29.08.1995 die Zulassung als Vertragsarzt erhalten hatte und sein Eintritt in die Gemeinschaftspraxis genehmigt worden war. Die Vergabe von kassenärztlichen Zulassungen im Planungsbereich E. ist gem. §§ 101, 103 SGB V beschränkt.
Nachdem es in der Folge u. a. im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluss eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags zu Unstimmigkeiten gekommen war, erklärte der Beklagte am 13.05.1996 die Kündigung zum 30.06.1996, worauf die Kläger am 14.05.1996 ihrerseits fristlos kündigten. Der Zulassungsausschuss stellte sodann die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 13.05.1996 fest (Anl. B 2).
Nach einem nicht unterzeichneten Vertragsentwurf (Anl. K 18) sollte der Beklagte als „fixierter Gesellschafter” im ersten Jahr der Zusammenarbeit am Gesellschaftsvermögen und an etwaigen Verlusten nicht beteiligt werden, sondern ein monatliches Fixum von 10.000,– DM erhalten. In dieser Zeit sollten beide Seiten die Möglichkeit haben, die Zusammenarbeit innerhalb von sechs Wochen zum Quartalsende zu kündigen und der Beklagte ggfs. – ohne Anspruch auf eine Abfindung – wieder ausscheiden. Das „endgültige Gesellschaftsverhältnis” sollte mit Ablauf des 31.12.1996 beginnen und der vom Beklagten zu erbringende Kaufpreis für seine Beteiligung in der Folge in der Weise erbracht werden, dass er erst ab dem Jahre 2001 den seinem Anteil entsprechenden Gewinnanteil von 33,3 % erhält; zuvor sollte er am Gewinn nur geringere Anteile erhalten und zwar 1996 15 %, 1997 17,5 %, 1998 20 %, 1999 22,5 % und 2000 25 %.
Nach § 17 des Vertragsentwurfs sollte für den Fall des Ausscheidens aus der Gemeinschaftspraxis ein 5-jähriges Verbot bestehen, sich in E. und im Landkreis E. als Arzt in freier Praxis zur Ausübung privat- und/oder kassenärztlicher Tätigkeit niederzulassen.
Nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis eröffnete der Beklagte am 01.07.1996 eine Einzelpraxis in E.. Diese gab er jedoch bereits zum 31.12.1996 wieder auf, um eine kardiologische Praxis in R. eröffnen. Auf seine E. Zulassung verzichtete er zum 31.01.1997. Darauf wurde diese Vertragsarztstelle neu ausgeschrieben. Als Nachfolger wurde durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 17.06.1997 Dr. me...