Leitsatz (amtlich)

1. Aus § 105 VVG ergibt sich, dass es dem Versicherungsnehmer freisteht, (auf eigenes Risiko) den Dritten zu befriedigen, ohne hierdurch den Versicherungsschutz zu verlieren. Sein Freistellungsanspruch wandelt sich durch die (berechtigte) Befriedigung des Dritten in einen Zahlungsnanspruch um. Der Versicherungsnehmer kann Zahlung direkt an sich verlangen.

2. Sendung i.S.v. § 431 HGB ist die übergeordnete Versandeinheit: Für die Berechnung der Haftungshöchstsumme ist nicht das einzelne Frachtstück, sondern die vom Auftragnehmer zu transportierende Sendung, mithin die Summe des Rohgewichts der entwerteten Frachtstücke, maßgeblich.

 

Normenkette

VVG §§ 100, 105; HGB § 431

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 02.10.2009; Aktenzeichen 34 O 46/09 KfH)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 2.10.2009 - 34 O 49/09 KfH abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.465,26 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12,.5.2009 zu bezahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 34.465,26 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als ihren Frachtführerhaftpflichtversicherer auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Anspruch.

Am 6.6.2008 übernahm die Klägerin im Auftrag der U ... OHG (im Folgenden: U ...) in D. eine Wechselbrücke, die sie zum Bestimmungsort K. transportieren sollte. Die Wechselbrücke mit einem Gesamtgewicht von 12.000 KG brutto beinhaltete 593 Packstücke. Bei einem Fahrzeugbrand auf der Bundesautobahn A8 wurden eine Vielzahl der Packstücke beschädigt. Die Klägerin hat mit der Fa. U ... einen Rahmenvertrag abgeschlossen, dessen § 7 lautet:

"Der Auftragnehmer haftet nach den gesetzlichen Bestimmungen.

Gemäß § 449 HGB wird die vom Frachtführer zu leistende Entschädigung wegen Verlustes oder Beschädigung des Gutes abweichend von § 431 HGB auf 40 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt."

Ziff. 9.2 der "U. Beförderungsbedingungen", die die Fa. U. im Verhältnis zu ihren Kunden zur Anwendung gebracht hat, lautet dagegen:

"... In Deutschland beträgt die Haftung für Verlust oder Beschädigung bis maximal 510 EUR pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist."

Die Fa. U. hat von der Klägerin insgesamt 79.031,73 EUR Schadensersatz gefordert, wovon die Beklagte 43.294,35 EUR reguliert hat.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 2.10.2009 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil wurde die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen. Zwar stehe § 100 VVG dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen. Die von der Firma U. ggü. der Beklagten vorgenommene Verrechnung ihres behaupteten Schadensersatzanspruches mit Frachtlohnforderungen der Klägerin stelle eine Befriedigung i.S.v. § 105 VVG dar. Der Befreiungsanspruch gem. § 100 VVG wandle sich hierdurch in einen Zahlungsanspruch. Auch wenn die von der Firma U. vorgenommene Verrechnung die Beklagte nicht binde, stehe letzterer der Einwand des Erfüllungswahlrechtes aus dem Haftpflichtvertragsverhältnis nicht zu. Ein solches bestehe nach Umwandlung des Befreiungsanspruches in einen Zahlungsanspruch nicht mehr. Auf die Frage, ob es sich um eine unzulässige Befriedigung im Sinne des durch die VVG-Novelle aufgehobenen § 154 Abs. 2 VVG a.F. handle, komme es nicht mehr an. Ein Reformanliegen sei es gewesen, dem Versicherungsnehmer die Befriedigung des Geschädigten ohne Nachteile im Deckungsverhältnis zu ermöglichen. Diesem Reformanliegen würde es widersprechen, den Versicherungsnehmer unter Verweis auf das Trennungsprinzip auf eine Klage gegen den Befriedigten zu verweisen, in der Haftpflichtansprüche verbindlich zu klären seien.

Der Firma U. stehe aber kein über den bereits gezahlten Entschädigungsbetrag hinausgehender Schadensersatzbetrag zu. Als ausführender Frachtführer hafte die Klägerin auf Wertersatz. Soweit ihre Haftung reiche, sei sie neben dem vertraglichen Frachtführer, vorliegend der Firma U., Gesamtschuldner. Die Klägerin könne daher den Einwand der Haftungsbeschränkung in Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Firma U. auch ggü. den auf U. übergegangenen Schadensersatzforderungen der Kunden geltend machen.

Auch aus dem Rahmenvertrag zwischen U. und der Klägerin bestünden keine Ansprüche der U. mehr. Der Rahmenvertrag sehe im Vergleich zur Regelung im Hauptfrachtvertrag eine auf 40 Son...

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