Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausstellung eines Luftfrachtbriefs sowie das Akzeptieren einer solchen Beförderungsart durch die Versenderin per Unterschrift deutet auf eine stillschweigende Vereinbarung eines Luftbeförderungs- vertrages hin; der Luftfrachtbrief enthält regelmäßig ein Angebot für den Abschluss eines Luftbe- förderungsvertrages.

2. Haftungsausschluss gem. Art. 31 MÜ wegen Versäumung der Anzeigefrist.

 

Normenkette

Montrealer Übereinkommen (MÜ) Art. 18, 22, 31

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 29.05.2009; Aktenzeichen 38 O 2/08 KfH)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 38. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 29.5.2009 - 38 O 2/08 KfH - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.112 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen eines Transportschadens.

Die Firma R.E. GmbH aus 4 ... W.-M., die Versicherungsnehmerin der Klägerin (im Folgenden: Versenderin), hatte an die Firma H.C.C. GmbH mit Sitz in 7 ... N. (im Folgenden: Empfängerin) 62.000 Stück, in 7 Kartons verpackte elektrische Schaltungen verkauft (vgl. die Rechnungen und Lieferscheine gemäß Anlagen K 2 und K 3). Am 5.1.2007 erteilte die Versenderin der Beklagten Ziff. 2, mit der sie einen Rahmenvertrag zu Beförderungszwecken geschlossen hatte, den Auftrag, die Ware mit einem Rohgewicht von 35,1 kg von ihrem Auslieferungslager in P./Tschechien zur Empfängerin nach N. zu transportieren (Anlage K 5). Unstreitig wurde die Ware am 5.1.2007 mit einem Kraftfahrzeug von einem Fahrer der tschechischen Tochterfirma der Beklagten Ziff. 2 in P. gegen Übernahmequittung (Anlage K 6) abgeholt und am Vormittag des 8.1.2007 ebenfalls mit einem Kraftfahrzeug bei der Empfängerin angeliefert, die den Empfang ohne äußerlich erkennbare Beschädigung quittiert hat (Anlage B 1).

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil vom 29.5.2009 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch dieses Urteil sind die Beklagten nach Vernehmung der Zeugen B. und L. entsprechend dem Antrag der Klägerin zur Zahlung von 5.112 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.1.2007 verurteilt worden. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, beide Beklagten seien gem. §§ 425, 428, 429, 435, 452, 453, 459 HGB i.V.m. § 67 VVG ggü. der Klägerin zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der der Versenderin entstanden sei. Die Beklagte Ziff. 2 sei wie die Beklagte Ziff. 1 passivlegitimiert. Die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der streitgegenständliche Transport auf dem Luftwege durchgeführt und ein Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen worden sei. Daher seien die §§ 407 ff. HGB anwendbar. Der von der Klägerin behauptete Schaden sei im Obhutszeitraum der Beklagten eingetreten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass 3 der 7 gemeinsam transportierten Kartons mit insgesamt 24.000 Schaltungen so mit von außen eindringender Nässe in Berührung gekommen seien, dass die Schaltungen wasserbedingt unbrauchbar wurden. Eine Überprüfung der einzelnen Schaltungen sei der Empfängerin aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar gewesen. Dass die Schaltungen nicht zusätzlich in Plastikfolie verpackt gewesen seien, begründe keinen Verpackungsmangel. Gemäß § 435 HGB greife eine Haftungshöchstgrenze zugunsten der Beklagten nicht ein. Die Beklagten seien ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen und hätten insbesondere nicht substantiiert dargelegt, wie die Güter transportiert worden und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung eines Wasserschadens ergriffen worden seien. Aus diesen Gründen sei ein qualifiziertes Verschulden zu vermuten.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgen. Mit der Klägerin sei ein Luftbeförderungsvertrag geschlossen worden mit der Folge, dass das Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr anwendbar sei. Hierauf deute die Ausstellung eines Luftfrachtbriefes (Anlage K 7) sowie die von der Versicherungsnehmerin der Klägerin abgegebene Luftsicherheitserklärung (Anlage K 5) hin. Die Angaben des von der Klägerin benannten Zeugen B. stünden hiermit in Einklang. Da sich der Nässeschaden im zentralen Umschlagslager am Flughafen B. ereignet habe, sei nach den Rechtsregeln zur multimodalen Beförderung ebenfalls das Montrealer Übereinkommen heranzuziehen. Die ggü. dem Beförderer vorzunehmende Schadensanzeige sei nicht rechtzeitig i.S.v. Art. 31 MÜ erfolgt, weshalb Ansprüche der Klägerin ausgeschlossen seien. Es sei ledigli...

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