Leitsatz (amtlich)

Die Quantität und Qualität des Besucherverkehrs der Mitmieter sowie die Aufhebung der Zugangskontrolle können den Mieter gewerblicher Miteräume unter Berücksichtigung er konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zur Mietminderung wegen eines Sachmangels berechtigen.

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 17.02.2006)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 17.2.2006 in Ziff. 1, 2 und 4 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. ...

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.062,17 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.424,52 EUR seit 4.2.2005 und aus jeweils 1.616,34 EUR seit 4.3.2005, 5.4.2005, 5.5.2005, 4.6.2005, 5.7.2005 und 4.8.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte ggü. der Klägerin berechtigt ist, den Mietzins für die von der Beklagten im ..., ... in ... angemieteten Räumlichkeiten

a) für den Zeitraum vom 1.4.2005 bis 31.8.2005 um 15 %, bezogen auf die Ursprungsmiete zu mindern;

b) für den Zeitraum vom 1.3.2005 bis 31.3.2005 um 10 %, bezogen auf die Ursprungsmiete, zu mindern und diesen reduzierten Mietzins um 5 % zu mindern; die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

3. In erster Instanz trägt die Klägerin 2 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie 3 % ihren eigenen außergerichtlichen Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Beklagte.

II. Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 45 %, die Beklagte 55 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwerte:

I. Instanz

Klage

14.062,17 EUR

Widerklage

92.810,50 EUR

II. Instanz

Drittwiderklage

44.999,04 EUR

Summe

151.871,71 EUR

Berufung

2.249,89 EUR

Klage

3.262,44 EUR

Widerklage

1.968,70 EUR

Anschlussberufung

7.481,03 EUR

Summe

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht rückständigen Mietzins i.H.v. 14.062,17 EUR für den Zeitraum von Februar bis August 2005. Die Beklagte begehrte im Wege der Widerklage ursprünglich die Feststellung, dass sie zu einer Minderung des Mietzinses i.H.v. 50 % ab 15.1.2005 berechtigt ist. Zu den Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Urteil des LG Heilbronn verwiesen.

Das LG hat durch Urteil vom 17.2.2006 der Klage i.H.v. 11.812,28 EUR stattgegeben und sie wegen des weitergehenden Betrages von 2.249,89 EUR abgewiesen, weil es eine Reduzierung des Mietzinses um 10 % aus dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage für gerechtfertigt angesehen hat. Der Feststellungswiderklage hat es - unter Abweisung im Übrigen - wegen einer Berechtigung der Beklagten zur Minderung i.H.v. 5 % aus dem angepassten Mietzins für den Zeitraum vom 1.3.2005 bis 31.8.2005 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, das Urteil des LG verletze das Recht.

Die Vermietung eines Teils der Räume an die Agentur für Arbeit rechtfertige auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Publikumsverkehrs und der damit verbundenen Beeinträchtigungen keine Anpassung des Mietzinses wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Eine bestimmte Mieterstruktur sei im Mietvertrag nicht vereinbart. Der Hinweis auf den Spitzen-Mietpreis reiche nicht aus, weil dieser sich in erster Linie auf die Ausstattung der Mieträume und deren Lage beziehe. Im Übrigen gehe es nicht an, durch das Instrument der Störung der Geschäftsgrundlage einen Milieuschutz zu installieren.

Darüber hinaus könne die Beklagte eine Reduzierung der Miete über eine Störung der Geschäftsgrundlage nicht gegen sie geltend machen. Ausweislich des Mietvertrages sei die Berücksichtigung von Zurückbehaltungs- und Minderungsrechten auf Anerkenntnisse und rechtskräftige Feststellungen beschränkt. Solange eine solche rechtskräftige Feststellung nicht vorliege, könne die Beklagte diese Einwendungen im Hinblick auf § 404 BGB nicht der Klägerin entgegenhalten. Vielmehr sei die Beklagte auf die Ansprüche aus § 812 BGB zu verweisen.

Die tatsächlichen Feststellungen des LG zur Störung der Geschäftsgrundlage seien widersprüchlich. Verschmutzungen im Eingangsbereich und längere Wartezeiten seien zur Begründung herangezogen worden, obwohl nach dem Inhalt des Urteils derartige Beeinträchtigungen nicht festgestellt worden seien. Die Aggressivität der Besucher sei nicht erwiesen, weil sich das LG insoweit auf die (Partei-)Angaben eines Beteiligten aus den beiden anderen Verfahren gestützt habe. Die übrigen Umstände könnten nicht herangezogen werden, weil Beanstandungen, die nicht im Wege des Gewährlei...

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