Leitsatz (amtlich)
Ob ein Ereignis, das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist, hängt entscheidend von der konkreten Verwendung des Fahrzeugs ab. Bei einer selbstfahrenden Holzbearbeitungsmaschine liegt ein Betriebsschaden nicht schon dann vor, wenn diese bei der Anfahrt zu Holzrückarbeiten auf einem Waldweg mit einem am Wegesrand befindlichen Baumstumpf kollidiert.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 09.10.2006; Aktenzeichen 22 O 235/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 22. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 9.10.2006 - 22 O 235/06 - teilweise abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.019,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.9.2005 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 250,15 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von den Kosten des Rechtstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger 40 %, die Beklagte 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert der Berufung: 8.260 EUR.
Gründe
A. Der Kläger, der für eine selbstfahrende Arbeitsmaschine - eine Holzrückmaschine - bei der Beklagten eine Fahrzeugvollversicherung unterhält, begehrt die Reparaturkosten für einen Achsbruch vorne rechts, der sich am 1. Juni 2005 auf einem teilweise geschotterten Waldweg ereignete.
Der Kläger behauptet, der Achsbruch sei auf eine Kollision mit einem am rechten Rand des Waldweges befindlichen Baumstumpf zurückzuführen.
Die Beklagte bestreitet eine unfallbedingte Schädigung. Selbst wenn dem Vortrag des Klägers zu folgen sein sollte, handele es sich um einen nicht versicherten Betriebsschaden. Daneben sei dem Klägers die grob fahrlässige Herbeiführung des behaupteten Versicherungsfalls vorzuwerfen. Jedenfalls müsse sich der Kläger nach den Versicherungsbedingungen für die bei der Reparatur verwandten Ersatzteile einen Abzug "neu für alt" anrechnen lassen.
Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden "Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), Stand 1.9.2003" lauten auszugsweise wie folgt:
§ 12 (1) II.f):
...; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden;
§ 13 (5):
... Von den Kosten der Ersatzteile und der Lackierung wird ein dem Alter und der Abnutzung entsprechender Abzug gemacht (neu für alt). Der Abzug beschränkt sich bei Krafträdern, Personenkraftwagen sowie Omnibussen bis zum Schluss des vierten, bei allen übrigen Fahrzeugen bis zum Schluss des dritten auf die Erstzulassung des Fahrzeugs folgenden Kalenderjahres auf Breifung, Batterie und Lackierung ...
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil ein nicht versicherter Betriebsschaden vorliege.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Der Kläger beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.259,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab 19.9.2005 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 239,70 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
B. Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
I. Dem Kläger steht nach §§ 12 (1) II., 13 (5) AKB aus dem Unfallereignis vom 1.6.2005 eine Kaskoentschädigung i.H.v. 5019,20 EUR zu.
1. Aufgrund des Ergebnisses der Anhörung des Klägers und der Zeugen S. und F. ist der Senat davon überzeugt, dass kein bloßer Bruchschaden (Abnutzungsschaden) an der Vorderachse vorliegt, sondern dass der Achsbruch auf eine Kollsion mit einem am rechten Wegesrand befindlichen Baumstumpf zurückzuführen ist. Dafür spricht die glaubhafte Schilderung des Geschehensablaufes durch den Kläger, die mit den Angaben des Zeugen S. in Einklang steht. Wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt erscheint eine Deformation des Unterholzes, die vom Zeugen F. vermisst wurde, bei einem Auftreffen des rechten vorderen Rades der Arbeitsmaschine und einem Abrutschen zur Wegmitte hin, nicht zwingend erforderlich um den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf zu erklären.
2. Entgegen der Ansicht des LG ergibt sich eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch nicht aus dem Vorliegen eines nicht versicherten Betriebsschadens.
a) In der Fahrzeugvollversicherung sind nach § 12 (1) II. f AKB nur Unfallschäden gedeckt, d.h. Schäden, die auf einem Ereignis beruhen, das unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt. Keine Unfallschäden sind Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden. Betriebsschäden sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen (BGH VersR 1969, 32 und ständig). Den Betriebsschaden kennzeichnen die innerbetriebliche Einwirkung und/oder die o...