Leitsatz (amtlich)

Bei Widerruf eines einvernehmlich vorzeitig abgewickelten Darlehensvertrages besteht nur ein Anspruch des Darlehensnehmers auf Herausgabe von Nutzungen, die der Darlehensgeber aus gezahlten Zinsen oder einer Vorfälligkeitsentschädigung gezogen hat, weil im Falle der einvernehmlichen vorzeitigen Vertragsbeendigung nach dem Willen der Parteien eine endgültige Rückführung des Darlehens gewollt ist, die die Folgen eines Widerrufs zumindest partiell vorwegnimmt.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 12.08.2016)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird die das Urteil der 14. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 12.8.2016 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 16.036,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.06.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Kläger werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger 91 % und die Beklagte 9 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.

4. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil im Umfang der Zurückweisung der Berufungen sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

.....-

Streitwert des Berufungsverfahrens: 93.125,62 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages.

1. Zur Finanzierung zweier Eigentumswohnungen schlossen die Kläger mit der Beklagten unter dem 6./12.10.2004 einen Darlehensvertrag (Nr...580) über einen Nettobetrag von 146.750,00 EUR mit einem Nominalzins von 5,49 %.

Die Kläger wandten sich im Jahr 2007 an die Beklagte, weil sie die Eigentumswohnungen verkaufen wollten. In diesem Zusammenhang schlossen die Parteien am 19.11.2007 eine Zusatzvereinbarung zu dem Darlehensvertrag, nach der die Kläger das Darlehen weiter in Anspruch nehmen und als neue Sicherheit eine Grundschuld an einem noch zu erwerbenden Grundstück bestellen sollten. Nach dem Verkauf der Eigentumswohnungen teilten die Kläger mit E-Mail vom 3.1.2008 der Beklagten ihren Wunsch mit, das Darlehen nunmehr doch vorzeitig abzulösen, und baten um einen Aufhebungsvertrag. Mit Schreiben vom 3.1.2008 rechnete die Beklagte das Darlehen ab, wobei sie den Klägern ein Aufhebungsentgelt in Höhe von 7.043,04 EUR in Rechnung stellte, das von den Klägern bezahlt wurde.

Am 28.12.2015 ließen die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages erklären.

Mit der Klage machen sie geltend, der Vertrag sei wegen einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung noch im Jahr 2015 widerruflich gewesen. Die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche ergebe einen Saldo zu ihren Gunsten. Dies beruhe darauf, dass die Beklagte als Wertersatz nur die auf Basis der Bundesbankstatistik bei Vertragsschluss marktübliche Verzinsung der Valuta mit 4,77 % beanspruchen könne und die Beklagte die Nutzungen herauszugeben habe, die sie aus den Zins- und Tilgungsleistungen gezogen habe. Der Wert der Nutzungen entspreche einer Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Ihre anfänglich erhobene Klage auf Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, haben die Kläger geändert. Sie verlangen nun den zu ihren Gunsten errechneten Saldo aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis in Höhe von 93.125,62 EUR nebst Prozesszinsen.

Die Beklagte meint, die Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß und sei zudem gemäß § 14 BGB-InfoV als gesetzeskonform zu behandeln. Einem Widerruf stehe die getroffene Aufhebungsvereinbarung entgegen. Im Übrigen verstoße die Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben und erfülle insbesondere den Tatbestand der Verwirkung. Der im Vertrag vereinbarte Zinssatz habe dem Marktüblichen entsprochen. Ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen stehe den Kläger nicht zu, jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Bezug genommen.

2. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Der Widerruf sei wirksam erklärt und auch nicht treuwidrig. Infolge des Widerrufs sei die Beklagte verpflichtet, den Klägern 50.824,71 EUR nebst Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 10.6.2016 zu erstatten. Zu Lasten der Beklagten könne nur vermutet werden, dass sie aus den Zins- und Tilgungsleistungen der Kläger Nutzungen gezogen habe, deren Wert einer Verzinsung mit zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entspreche. Demgegenüber stehe der Beklagten der Vertragszins zu solange und soweit den Klägern die Darlehensvaluta überlassen worden...

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