Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.08.2019; Aktenzeichen 7 O 388/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.08.2019, Az. 7 O 388/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.499,82 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der ABC (i.F. auch: ABC) sowie deren Konzernmutter, der DEF (i.F.: DEF), in Anspruch.
Die Kläger sind private Aktionäre der ABC. Sie erwarben am 02. September 2013 15 Stück Vorzugsaktien der ABC zum Kurswert von 176,099 EUR und am 17. März 2015 weitere 100 Stück Vorzugsaktien zum Kurswert von 257,489 EUR. Insgesamt investierten sie nebst Provisionen etc. 28.539,39 EUR (Anlage K 1). Am 10. Dezember 2015 verkauften sie 100 Stück Vorzugsaktien zum Kurswert von 131,051 EUR zu einem Endbetrag von 13.039,57 EUR (Anlage K 1). Im Bestand der Kläger befinden sich noch 15 Stück Vorzugsaktien.
Die Beklagte lieferte an die ABC und an die DEF eine Motorsteuerungssoftware, welche für Dieselfahrzeuge verwendet wurde, die vom sog. "Dieselskandal" oder "Abgasskandal" betroffen sind.
Die ABC produzierte ab 2008 in Serie die als "EA 189" bezeichnete Baureihe von Dieselmotoren. Die Motoren sind mit einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Motorsteuerungssoftware ausgerüstet, welche den Prüfstandslauf erkennt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung insbesondere den Stickoxidausstoß reduziert. Der Motor wird nur unter Prüfstandsbedingungen in den Modus mit höherer Abgasrückführung (Modus 1) und dadurch bedingt geringeren NOx-Werten gebracht, während der Motor im realen Fahrbetrieb (Modus 0) eine geringere Abgasrückführung und damit höhere NOx-Werte aufweist.
Anfang September 2015 räumte ABC gegenüber US-amerikanischen Behörden ein, eine als "defeat device" bezeichnete Software in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben. Mit Ad-hoc-Mitteilungen vom 22. und 23. September 2015 informierte die ABC den Kapitalmarkt über die Abgasmanipulationen.
Die Kläger tragen vor, sie hätten die Investitionen in die Aktien unterlassen, wenn sie Kenntnis von dem Verbau unzulässiger Abschalteinrichtungen in Fahrzeuge der ABC-Gruppe gehabt hätten. Sie sind der Ansicht, die Beklagte hafte als Gehilfin insbesondere für die Verletzung von Kapitalmarktinformationspflichten durch die ABC und die DEF. Die von der Beklagten gelieferte Software stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, über deren Verwendung die ABC den Kapitalmarkt hätte informieren müssen. Dass die Beklagte vorsätzlich gehandelt habe, zeige sich nicht zuletzt in dem Haftungsfreistellungsverlangen der Beklagten gegenüber der ABC vom 2. Juni 2008.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und bestritten, dass eine beihilfefähige Haupttat vorliege. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung als Gehilfin lägen nicht vor.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Den Klägern stünden keine Schadensersatzansprüche gemäß § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 331 Abs. 1, 2 HGB, § 400 AktG, § 37v Abs. 2 Nr. 2 WpHG a.F. sowie nach §§ 37b und 37c WpHG a.F. zu.
Dahinstehen könne, ob Verjährung eingetreten sei und ob überhaupt eine beihilfefähige Haupttat der ABC vorliege. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte als Gehilfin für die Verletzung von Kapitalmarktinformationspflichten hafte. Die Beklagte habe zwar objektiv mitursächlich zur Verletzung der Kapitalmarktinformationspflichten beigetragen. Bei der Software, die von der Beklagten entwickelt und der ABC zur Verfügung gestellt worden sei und die bei erkanntem Prüfstandslauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviere, handele es sich um eine nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 unzulässige Abschalteinrichtung. Die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen stelle einen Umstand dar, über den der Emittent den Kapitalmarkt informieren müsse, insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Haftungs- und Sanktionsrisiken.
Allerdings sei bei der Frage, ob ein potentieller Gehilfe bei der Ausübung seines Berufs ein erlaubtes Risiko überschritten habe, der für diesen geltende Au...