Leitsatz (amtlich)
Das in schlaftrunkenem Zustand erfolgte Einatmen von verabreichtem Hustensaft fällt nicht unter den Unfallversicherungsschutz (AUB 94). Der hierdurch verursachte Tod ist als Folge einer Heilmaßnahme vom Versicherungsschutz ausgenommen.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.04.2005; Aktenzeichen 18 O 28/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 20.4.2005 (18 O 28/05) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufungsverfahrens: bis 65.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einer Unfallversicherung ihres verstorbenen Ehemannes.
1. Der an Leukämie erkrankte Ehemann der Klägerin befand sich seit dem 27.4.2001 stationär in der Uniklinik F. Nach dem Auftreten von hohem Fieber seit dem 2.5.2001 erhielt er am 6.5.2001 Paracetamolsaft. Bei der Einnahme kam es zu einem Hustenanfall. Er starb am 24.6.2001, laut Schreiben des Prof. Dr. M. vom 24.6.2001 an einer progredienten Pneumonie (fortschreitenden Lungenentzündung) und einem refraktärem Leukämie-Rezidiv (hartnäckigem nicht therapierbaren Leukämierückfall). Die Klägerin ist der Auffassung, das in schlaftrunkenem Zustand erfolgte Einatmen des Hustensafts sei als Unfall anzusehen, die Heilbehandlungsklausel in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen für Kinder und Erwachsene mit Leistungen (im Folgenden AUB 94) greife nicht. Nach Auffassung der Beklagten fehlt es am Unfallmerkmal, denn das Einatmen erfolgte willensunabhängig und es fehle ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis, außerdem liege der Ausschlussgrund einer Heilbehandlungsmaßnahme vor.
2. Das LG hat die ursprüngliche Stufenklage auf Abrechnung und Zahlung abgewiesen. Der Ehemann der Klägerin sei nicht aufgrund eines Unfallereignisses verstorben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das landgerichtliche Urteil vom 20.4.2005 Bezug genommen (Blatt 87-95).
3. Mit der Berufung rügt die Klägerin eine Rechtsverletzung i.S.d. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, da das LG zu Unrecht ein Unfallereignis verneint habe. Es sei schon allein deshalb von einem Unfall auszugehen, weil durch eine fehlerhafte Verabreichung des Hustensafts die Flüssigkeit von außen in die Lunge des Ehemannes der Klägerin gelangt sei. Insoweit sei schon auf das Einbringen in den Mund und nicht auf das Einatmen des Hustensafts abzustellen. Da der Schutzreflex des Abhustens funktioniert habe könne nicht die Rede davon sein, dass der Saft allein durch willensunabhängiges Atmen in die Lunge gelangt sei. Die maßgeblichen Vorgänge seien durch den Antrag auf Beiziehung der Pflegedokumentation ausreichend unter Beweis gestellt worden. Es sei von einem plötzlichen Ereignis auszugehen, da insoweit nur auf die Einwirkung als solche abzustellen sei. Aus dem Schreiben Prof. Dr. M. ergebe sich ein neu festgestelltes Infiltrat auf der linken Seite. Insoweit sei die progrediente Pneunomie Auslöser für den Tod des Patienten gewesen, zumal das Leukämie-Rezidiv beherrscht und unter Kontrolle war. Der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 2 AUB 94 greife nicht, da die Gesundheitsschädigung nur gelegentlich einer fehlerhaft durchgeführten Heilmaßnahme entstanden sei, nicht aber durch die von dieser Maßnahme ausgehenden eigentümlichen Gefahr verursacht wurde.
Die Klägerin beantragt nunmehr, das Urteil des LG Stuttgart vom 20.4.2005 (AZ: 18 O 28/05) wie folgt abzuändern:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.129,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2004 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
4. Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Das LG habe zutreffend festgestellt, dass kein Unfall im Sinne der AUB 94 vorliege. Der Paracetamolsaft sei durch den willensunabhängigen Vorgang des Einatmens in die Lunge gelangt, nicht durch das Abhusten. Im Übrigen habe die Beklagte immer bestritten, dass der Saft infolge einer Aspiration in die Lunge gelangte und die Medikamentengabe fehlerhaft erfolgt sei. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich kein neues Infiltrat links. Es bleibe bei dem Vortrag erster Instanz, dass der Ausschlussgrund einer Heilmaßnahme gelte und die Kausalität des Vorgangs für den späteren Tod bestritten werde.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es kann offen bleiben, ob es schon an einem Unfall im Sinne der Versicherungsbedingun...