Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelauftrag nach Bedenkenhinweis und Drittschädigung
Leitsatz (amtlich)
1. Meldet der Auftragnehmer Bedenken wegen ungeeigneter Vorarbeiten an (hier: bei Bodenbelagsarbeiten befürchtete Blasenbildung aufgrund fehlender Verlegereife des Estrichs) und ordnet hierauf der Auftraggeber die Ausführung der Arbeiten unter Freistellung von der Gewährleistung wegen der angezeigten Umstände an, ist der Auftragnehmer von einer Haftung wegen späterer, vor Abnahme entstandener Schäden wegen der angezeigten Ungeeignetheit der Vorarbeiten befreit. Zu diesen vom Auftraggeber zu verantwortenden Folgen gehört auch die Beweisnot des Auftragnehmers, in die ihn die Anordnung des Auftraggebers gebracht hat, weil er nicht beweisen kann, in welchem Umfang ein Schaden durch die angezeigte Ungeeignetheit der Vorarbeiten oder durch eine Schädigung eines Dritten (hier: zu nasse Reinigung) verursacht wurde. Verlangt der Auftraggeber vom Auftragnehmer die Beseitigung dieser Schäden an dem noch nicht abgenommenen Werk, so sind auch diese Arbeiten vergütungspflichtig.
2. Soweit kein Vergütungsanspruch besteht, kommt auch ein Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber auf Erstattung seiner Reparaturaufwendungen gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Werkvertrag in Betracht. Der Auftraggeber kann seine vertraglichen Pflichten dadurch verletzen, dass er den Auftragnehmer mit der Anordnung, ein mangelgefährdetes Werk herzustellen, in Beweisschwierigkeiten gebracht hat.
Normenkette
BGB § 631; VOB/B (2006) § 4 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 25.11.2010; Aktenzeichen 10 O 23/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. November 2010, AZ: 10 O 23/07, wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin in zweiter Instanz.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 31.873,42 €
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn für Bodenverlegearbeiten im Bauvorhaben "Seniorenzentrum X".
Mit Werkvertrag vom 16.5.2006 wurde sie von der Beklagten beauftragt, in dem mehrstöckigen Gebäude großflächig PVC zu verlegen. Mit den Arbeiten begann sie ab 28.06.2006. Ab 15.9.2006 erbrachte sie Reparaturarbeiten, weil in dem von ihr verlegten PVC-Belag Blasen und Beulen aufgetreten sind. Über die Ursache besteht Streit.
Mit der Klage hat die Klägerin Zahlung des restlichen Werklohnes für die mit Vertrag vom 16.5.2006 beauftragten Arbeiten in Höhe von 7.410,07 € aus der Schlussrechnung vom 29.9.2006 geltend gemacht. Zusätzlich hat sie mit Rechnung vom 19.10.2006 Bezahlung ihrer Reparaturarbeiten in Höhe von 18.599,30 €, mit Rechnung vom 24.10.2006 in Höhe von 736,80 € und mit Rechnung vom 9.11.2006 in Höhe von 6.477,85 € verlangt.
Die Beklagte verweigert die Bezahlung der Reparaturarbeiten, weil die Schäden am PVC durch einen von der Klägerin zu vertretenden Wasserschaden aufgrund unsachgemäßer Reinigungsarbeiten durch die Streithelferin verursacht worden seien. Darüber hinaus beruft sie sich auf eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung der Reparaturleistungen sowie auf Gewährleistungsrechte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht gab der Klage unter Abweisung des Anspruchs auf Bezahlung der Rechnung vom 24.10.2006 in Höhe von 31.873,42 € statt. Den Anspruch auf Bezahlung der Reparaturleistungen aus den Rechnungen vom 19.10. und 3.11.2006 stützt das Landgericht auf einen entgeltlichen Reparaturauftrag der Beklagten an die Klägerin vom 19.9.2006. Die Beklagte könne die hierfür geforderte zusätzliche Vergütung nicht als Doppelbeauftragung verweigern, da die Klägerin die Reparaturarbeiten nicht schon aus dem Ursprungsvertrag heraus geschuldet habe. Die Bodenbelagsablösungen fielen nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Der PVC-Belag sei vor Abnahme der klägerischen Leistung mangelhaft geworden, da der PVC auf zu feuchtem Estrich verlegt worden sei, was zu Aufwölbungen geführt habe. Vor Abnahme habe der Werkunternehmer zu beweisen, dass der Mangel durch einen nicht in seinem Verantwortungsbereich liegenden Umstand herbeigeführt worden sei. Auf eine solche Beweisführung durch die Klägerin komme es an, da nur für den Fall der von der Klägerin behaupteten fehlenden Verlegereife des Estrichs eine Haftungsbefreiung der Klägerin gegeben sei. Soweit die Blasenbildung auf den baubedingt zu feuchten und nicht verlegereifen Estrich zurückzuführen sei, habe die Beklagte die Verantwortung zu tragen, da die Klägerin für das gesam...