Leitsatz (amtlich)

Die generelle Möglichkeit einer Infektion durch Blutplasmaprodukte und der zeitlich plausible Zusammenhang zwischen Injektion und Entdeckung der Infektion genügt nicht, um einen Anscheinsbeweis für eine Infektion durch Blutplasmaprodukte zu führen. Voraussetzung eines Anscheinsbeweises ist, daß in der Trägersubstanz der spezifische Erreger nachweislich vorhanden war.

Haftung nach dem AMG §84

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 25 O 266/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 07.01.00 – 25 O 266/99 – wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 20.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung

bis 300.000,00 DM;

Beschwer der Klägerin:

über 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Ersatz ihres materiellen Schadens und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden wegen einer Infektion mit Hepatitis-C Viren (HCV), die sie auf eine Impfung mit dem Blutpräparat Gammabulin A der Fa. Immuno zurückführt. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Fa. Immuno.

Die Klägerin befand sich vor der Entdeckung der Infektion zweimal in stationärer Behandlung und unterzog sich dabei folgenden Eingriffen: 1973 der Einbringung von Brustimplantaten, 1979 einer Nephropexie mit Ureterolyse.

Am 09.04.1990 ließ sich die Klägerin wegen einer bevorstehenden Reise nach Kenia zur Hepatitis-A-Prophylaxe vom betriebsärztlichen Dienst ihres Arbeitgebers mit dem Impfstoff Gammabulin A der Fa. Immuno impfen. Dieser wurde aus Spenderblut einer Vielzahl von Menschen gewonnen. Nach der Fachinformation des Herstellers erfolgte die Herstellung damals aus gepooltem Plasma ausgewählter, auf erhöhte Leberwerte, Hepatitis-B-Antigen und HIV getesteter Spender unter Anwendung der Kälte-Ethanol-Fraktionierung nach Cohn. Die Impfung erfolgte intramuskulär.

Am 17.02.95 wurde bei der Klägerin eine HCV-Infektion festgestellt. Im Juni 1995 wurde nach Leberpunktion der histologische Nachweis einer chronisch aktiven Hepatitis C geführt.

Die Klägerin ist der Auffassung, Ursache ihrer HCV-Erkrankung sei eine durch den Impfstoff Gammaglobulin A bewirkte Infektion. Die Übertragung erfolge in erster Linie durch Blutpräparate. Andere Übertragungswege als Blut- oder Plasmatransfusionen seien in ihrem Fall auszuschließen. Anläßlich der Operationen in 1973 und 1979 seien keine Blut- und Plasmainfusionen vorgenommen worden. Kontakte mit anderen Patienten oder die eher unwahrscheinliche Übertragungsweg durch Geschlechtsverkehrs schieden als Infektionsweg ebenfalls aus. Als Ursache bleibe daher die am 09.04.90 durchgeführte Impfung; sie stelle den einzigen Kontakt der Klägerin mit einem Blutpräparat dar. Das Herstellungsverfahren der Klägerin sei insofern fehlerhaft, als zur Virusinaktivierung lediglich die Kälte-Ethanol-Fraktionierung nach Cohn angewandt worden sei, nicht aber – wie gefordert – ein Hitzeinaktivierung (Pasteurisierung). Auch sei eine Hepatitis C Antikörpertestung der Blutspender vorwertbar unterlassen worden. Wegen der Kosten für Fahrten zu Ärzten und Kliniken, anläßlich stationärer Aufenthalte, für Medikamente und wegen Verdienstausfalls und Ausfalls von Rentenzahlungen sowie Verdienstausfalls ihres Mannes sei ein Schaden von 38.232,57 DM entstanden. Ein Schmerzensgeld im Mindestbetrag von 150.000,00 DM sei angemessen, ferner die Zahlung einer Rente.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen für den Zeitraum vom 09.04.90 bis Rechtshängigkeit zu bezahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,00 DM, beginnend am 01.07.99, jeweils vierteljährlich im voraus zum 01.07., 01.10., 01.01. und 01.04. eines jeden Jahres zu bezahlen,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.232,57 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
  4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Impfung vom 09.04.90 resultieren, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der behauptete kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung der Klägerin mit dem Präparat Gammabulin A und der HCV-Infektion beruhe lediglich auf Mutmaßung. Das Präparat sei nicht fehlerhaft gewesen. Es sei auch nicht geeignet gewesen, die Infektion zu verursachen. Fälle einer HCV-Infektion durch intramuskuläre Injektion von Blutprodukten seien bisher nicht beobachtet worden. Die Kälte-Ethanol-Fraktionierung sei zur Elimierung nicht erwünschter Proteine ausreichend gewesen; eine Pasteurisierung sei nicht erforderlich gewesen. Die Herstellung ...

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