Leitsatz (amtlich)
1. Für die Zeit zwischen Inkrafttreten des Bebauungsplans bis zur Planverwirklichung erhält der Eigentümer für Einschränkungen durch Festsetzungen nach § 40 Abs. 1 BauGB keine Entschädigung. Vielmehr wird der Eigentümer in verfassungskonformer Weise durch §§ 40, 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB unter Ausschluss der Geldentschädigung auf die Wahl zwischen dem (vorläufigen) Behalten des eingeschränkt nutzbaren Grundstücks und dem Übernahmeanspruch nach §§ 40 Abs. 2, 43 Abs. 1 BauGB verwiesen.
2. Angesichts des langen Zeitraums, der zwischen Inkrafttreten des Bebauungsplans und Planverwirklichung liegen kann, und des Fehlens eines ausreichenden schützenswerten Interesses des Planungsbegünstigten ist § 44 Abs. 4 BauGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist auf den Übernahmeanspruch nach § 40 Abs. 2 BauGB und einen anschließenden Entziehungsantrag nach § 43 Abs. 1 BauGB nicht anzuwenden ist.
Normenkette
BauGB §§ 40, 42, 43 Abs. 1, 3, § 44 Abs. 4; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.01.2009; Aktenzeichen 5 O 21/07 Baul.) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Grundurteil des LG Stuttgart vom 14.1.2009 - 50 O 21/07 Baul., abgeändert und der Hauptantrag zurückgewiesen sowie der Hilfsantrag als derzeit unbegründet zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.095.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragsteller begehren den Ersatz eines Planungsschadens nach § 42 BauGB/§ 44 BBauG 1976 und - inzwischen - hilfsweise die Übernahme eines ihrer Grundstücke, nämlich des Flurstücks 8../1, Zug um Zug gegen Zahlung des Verkehrswertes.
Die Antragsteller sind die alleinigen Gesellschafter einer Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin der Flurstücke Nr. 8.. und 8../1 in Heilbronn ist. Auf den Grundstücken befindet sich eine umfriedete, privat genutzte Parkanlage mit der zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa X. Die Villa nebst Park stehen als Ensemble unter Denkmalschutz. Seit dem Jahr 1939 waren die Grundstücke als Wohngebiet mit Gewerbebetrieben ausgewiesen. Am 22.4.1982 wurde der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes "Götzenturmpark" bekannt gemacht. Am 28.1.1983 baten die Antragsteller um einen rechtsmittelfähigen Bauvorbescheid über die Frage, ob das Flurstück Nr. 8../1 in gleicher Art und gleichem Maß der baulichen Nutzung wie das angrenzende Grundstück Flurstück Nr. 7.. mit dem seinerzeit geplanten Gebäude der IHK bebaut werden dürfe. Mit Schreiben vom 12.8.1983 wurde erneut ein Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids für drei jeweils abgestufte Baukörpern mit insgesamt 51 Wohneinheiten und Tiefgarage auf den Flurstücken Nr. 8.. und 8../1 gestellt. Dieser Antrag wurde im Hinblick auf die am 8.2.1985 in Kraft getretene Veränderungssperre mit Bescheid vom 9.5.1985 abgelehnt.
Mit öffentlicher Bekanntmachung vom 21.5.1987 trat der Bebauungsplan "Götzenturmpark" in Kraft. Er weist auf den Flurstücken 8.. und 8../1 im Wesentlichen eine öffentliche Grünfläche (Parkanlage mit innerer Erschließung) und eine Fläche für den Gemeinbedarf (Kindergarten) aus. Am Standort der denkmalgeschützten Villa sind bauliche Anlagen im gastronomischen und kulturellen Bereich zulässig. Die Einwendungen der Antragsteller gegen den Bebauungsplan blieben ausweislich des Urteils des VGH BW vom 7.12.1989 (AZ: - 3 S 1842/88), des Beschlusses des BVerwG vom 21.2.1991 (AZ: 4 NB 16/90) und des Kammerbeschlusses des BVerfG vom 22.2.1999 (AZ: 1 BvR 565/91) ohne Erfolg.
Das Verfahren gegen die Ablehnung der Erteilung eines Bauvorbescheids vor dem VG Stuttgart ruht.
Die Antragsgegnerin hat bislang nichts unternommen, um die Festsetzungen des Bebauungsplans "Götzenturmpark" umzusetzen. Der Bedarf für den ausgewiesenen Kindergarten ist inzwischen entfallen. Ob der Bedarf für einen Kindergarten oder für eine Kindertagesstätte in dieser Lage wieder entstehen wird, ist offen.
Nachdem die Antragsteller einen Übernahmeanspruch hinsichtlich der vom Bebauungsplan "Götzenturmpark" betroffenen Grundstücke nicht geltend gemacht hatten, weil sie sich von den seit Generationen in Familienbesitz befindlichen Grundstücken nicht trennen wollten, haben sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2008 im Rahmen eines Hilfsantrags allein das Flurstück 8../1 der Antragsgegnerin Zug um Zug gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes von 904.950 EUR zur Übernahme angeboten.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt:
Die Antragsgegnerin wird verpflich...