Leitsatz (amtlich)

1. Der räumlich abgesetzte Zusatz "Bei mehreren Darlehensnehmern kann jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen" am Ende einer Widerrufsbelehrung in einem Verbraucherdarlehensvertrag steht der Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV für die ansonsten nach Muster erteilte Belehrung nicht entgegen. Der Zusatz ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden, weil er die Rechtslage richtig wiedergibt.

2. Belehrt der Darlehensgeber hinsichtlich der Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 312d Abs. 2 BGB dahin, dass die Frist "einen Tag nachdem" die in der Belehrung beschriebenen Ereignisse eingetreten sind beginne, " jedoch nicht vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages", verstößt dies gegen das Deutlichkeitsgebot, weil dadurch der Fehlvorstellung Vorschub geleistet wird, in Bezug auf den Abschluss des Darlehensvertrages sei die Widerrufsfrist im Gegensatz zu den weiteren genannten Ereignissen unter Einschluss des Tages des Vertragsschlusses zu berechnen.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 19.02.2016)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.07.2018; Aktenzeichen XI ZR 572/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer das LG Stuttgart vom 19.2.2016 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass sich die Darlehensverträge vom 28.5./2.6.2008 Nr... über netto 65.000 EUR und Nr... über netto 90.000 EUR aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert in beiden Rechtszügen: 144.431 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des von den Klägern erklärten Widerrufs von drei Darlehensverträgen.

1. Die Kläger schlossen mit der Beklagten einen vom 19.5.2008 datierenden Darlehensvertrag (Bl. 168), der folgende drei Einzeldarlehen umfasste: ein Annuitätendarlehen (Nr...) über einen Betrag von 82.000,00 EUR mit einem bis 30.4.2023 festgeschriebenen Nominalzins von 5,09 %, ein zum 30.11.2033 endfälliges Darlehen (Nr...) über einen Betrag von 42.000 EUR mit einem bis 30.4.2023 festgeschriebenen Nominalzins von 5,25 % und ein weiteres zum 30.11.2036 endfälliges Darlehen (Nr...) über einen Betrag von 42.000 EUR mit einem bis 30.4.2023 festgeschriebenen Nominalzins von 5,25 %.

Die Tilgung der endfälligen Darlehen sollte jeweils vorrangig aus dem Erlös einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung bei der H. Lebensversicherungs AG erfolgen.

Dem Vertrag war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

Am 2.6.2008 kamen zwischen den Klägern und der Beklagten im Wege des Fernabsatzes zwei weitere Darlehensverträge über Annuitätendarlehen aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zustande (Bl. 168): ein Darlehen über 65.000 EUR (Nr...) mit einem 30.6.2018 festgeschriebenen Nominalzins von 5,10 % und ein Darlehen über 90.000 EUR (Nr...) mit einem bis 30.6.2018 festgeschriebenen Nominalzins von 4,35 %.

Der Vertrag enthielt folgende Widerrufsbelehrung:

Ausweislich der Darlehensverträge dienten die Kredite dem Kauf und der Modernisierung eines Zweifamilienhauses in R. Als Sicherheit für die genannten Darlehen bestellten die Kläger der Beklagten eine Grundschuld an dem erworbenen Grundstück mit einem Nennbetrag von 321.000 EUR.

Die vereinbarten Darlehensraten zahlten die Kläger ab 30.9.2008, davon ausgenommen ist das Annuitätendarlehen Nr..., auf das die Kläger die Raten bereits ab 30.8.2008 erbrachten. Nach dem Vertrag gestattete Sondertilgungen erfolgten nicht.

Unstreitig wurden die genannten Darlehensverträge von den Klägern widerrufen. Streitig ist lediglich, ob der Widerruf die Beklagte bereits vor dem Anwaltsschreiben vom 26.9.2014 mit dem persönlichen Schreiben der Kläger vom 27.6.2014 erreicht hat.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger zuletzt die Feststellung, dass die streitgegenständlichen Darlehensverträge durch Erklärung der Kläger wirksam widerrufen und in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden sind. Zur Begründung machen sie geltend, die ihnen erteilten Widerrufsbelehrungen seien nicht ordnungsgemäß gewesen. Der Widerruf sei deshalb noch im Jahr 2014 möglich gewesen. Ferner beantragen sie, die Beklagte zur Freistellung der Kläger von den nicht anrechnungsfähigen außergerichtlichen Kosten in Höhe von Euro 2.399,99 zu verurteilen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Widerrufsbelehrungen seien nicht zu beanstanden. Die Ausübung des Widerrufsrechts erst im Jahre 2014 erfülle den Tatbestand der unzulässigen Rechtsausübung und der Verwirkung nach § 242 BGB. Für de...

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