Leitsatz (amtlich)
Zwischen einem Hersteller von Baumaterialien und einem Bauherren kommt ein Beratungsvertrag zustande, wenn der Hersteller auf Wunsch des Bauherren ein Produkt für eine konkrete Baumaßnahme empfiehlt. Zum Umfang der Prüfungspflichten des Herstellers, ob das empfohlene Produkt für das konkrete Bauvorhaben geeignet ist.
Normenkette
BGB §§ 280, 611
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.04.2009; Aktenzeichen 21 O 453/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 14.4.2009 - 21 O 453/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 157.450 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines behaupteten Beratungsfehlers im Zusammenhang mit einer Produktempfehlung geltend.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin einer im Objekt ... straße in I. befindlichen Tiefgarage, die im Jahr 1984 als sog. weiße Wanne mit wasserundurchlässigem Beton konstruiert wurde. Im Jahr 2001 führte die Klägerin eine Sanierungsmaßnahme durch. Dabei wurde die glatt gewordene Oberfläche des Bodens ausgetauscht, um eine bessere Rutschhemmung zu erzielen. Zuständiger Sachbearbeiter aufseiten der Klägerin war ihr Mitarbeiter K., der über ein abgeschlossenes Bauingenieurstudium verfügt.
Zur Vorbereitung der Sanierung nahm der Zeuge K. mit der Beklagten, die Fußbodenbeschichtungsprodukte für Tiefgaragen und Parkhäuser herstellt, Kontakt auf und bat deren Mitarbeiter, den Zeugen W., um die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für die Beschichtungsarbeiten. Am 20.6.2001 trafen sich die Herren K. und W. vor Ort in der Tiefgarage. Zwei Tage später übersandte die Beklagte der Klägerin ein Leistungsverzeichnis. Darin werden unter der Überschrift "Rechtsverbindliche Vorbemerkung" u.a. folgende Bemerkungen vorangestellt:
"Eine Beurteilung der Untergründe/des Objekts/der Teile durch Mitarbeiter der Firma S. erfolgte bislang nicht oder nur visuell. Wir gehen davon aus, dass sich die Untergründe/die Objekte/die Teile im fachgerecht hergestellten Zustand befinden. Bei lokaler oder gesamtheitlicher Nichteignung des Beschichtungsträgers/des Objekts/der Teile kann daher kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.
...
Ein Beratervertrag im rechtlichen Sinne kann aus den Empfehlungen zum Beschichtungssystem grundsätzlich nicht abgeleitet werden."
Im Anschreiben vom selben Tag weist die Beklagte u.a. auf Folgendes hin:
"Ihrem Wunsch entsprechend, möchten Sie die Optik und vorrangig die Rutschhemmung aufgrund der Verkehrssicherheit verbessern. Nach Ihren Angaben gibt es keine Gefahr der rückseitigen Durchfeuchtung und die Risse sollen einfach verharzt werden. Die Beschichtung sollte flüssigkeitsdicht, abriebfest, rutschhemmend und chemikalienbeständig sein."
Im Ausschreibungstext wird als Material das Produkt S. oder gleichwertig empfohlen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Leistungsbeschreibung nebst Begleitbrief (Bl. 15 ff. d.A.) verwiesen.
Die Arbeiten wurden unter Verwendung des Produkts S. durch die Streithelferin durchgeführt. Innerhalb eines Jahres entstanden auf dem Belag auf einem Teil der Fläche unterschiedlich große Blasen.
Eine Klage der Klägerin gegen den Streithelfer auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Verarbeitung wurde durch Urteil des OLG Hamm vom 28.6.2006 (24 U 8/06) rechtskräftig abgewiesen.
2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei, aufgrund dessen die Beklagte eine Planungsleistung erbracht habe. Diese Leistung sei fehlerhaft, weshalb die Sanierung fehlgeschlagen sei.
Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass das empfohlene Material S. für den Tiefgaragenboden aufgrund wasserlöslicher Bestandteile nicht geeignet sei. Die Verwendung von wasserundurchlässigem Beton schließe es nicht aus, dass im Beton Feuchtigkeit vorhanden sei. Bei der Verarbeitung von Frischbeton werde Überschusswasser benötigt. Hierdurch entstünden Kapillarporen im Beton, durch die Wasserdampf durch den Boden diffundieren könne. Aufgrund der dampfdichten Kunststoffbeschichtung komme es zur Erhöhung des Feuchtigkeitsgehalts. Hiermit habe die Beklagte rechnen müssen, nachdem der Zeuge W. gewusst habe, dass die Tiefgarage im Grundwasser stehe und als weiße Wanne konstruiert sei.
Eine rückwärtige Durchfeuchtung in dem Sinne, dass Grundwasser durch den Beton eindringe, liege nicht vor. Unabhängig davon habe die Beklagte durch eine Frage nach der rückwärtigen Durchfeuchtung ihre Beratungspflichten nicht ausreichend erfüllt. Sie habe Fachplanungsaufgaben übernommen und sei daher zur Ermittlung von Grundlagen verpflichtet. Daher hätte sie darauf hinweisen müssen, da...