Leitsatz (amtlich)
1. Eine beratende Bank, die einem Kunden einen komplexen Zinsswap-Vertrag empfiehlt, muss ihn vorher darüber aufklären, dass er die Erfolgsaussichten nicht allein auf der Grundlage seiner subjektiven Zinsmeinung einschätzen kann, sondern hierfür die Ergebnisse von anerkannten Bewertungsmodellen benötigt.
2. Bei komplexen Zinsswap-Verträgen kommt dem anfänglichen Marktwert eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung der Erfolgsaussichten und Risiken zu. Hierüber hat die beratende Bank aufzuklären. Sie muss den Kunden über die in dem Swap-Vertrag enthaltenen Optionsprämien konkret aufklären und ihm mitteilen, in welcher Höhe sie diese als Vergütung für ihre Leistungen für sich beansprucht.
3. Eine beratende Bank hat den Kunden wegen des Glückspiel-Charakters des Swap-Vertrages darauf hinzuweisen, wenn sie die Chancen "unfair" zu seinem Nachteil konstruiert hat.
4. Eine Bank muss bei der Beratung von Kommunen und kommunalen Einrichtungen das für sie erkennbare sicherheitsorientierte Risikoprofil beachten. Geriert sie sich bei der Beratung als Expertin für kommunales Finanzmanagement und geht auf das kommunale Spekulationsverbot ein, dann muss sie ihre Empfehlungen daran ausrichten.
5. Das mit einem Zinsswap-Vertrag verfolgte Ziel, eine Zinsverbilligung für bestehende Verbindlichkeiten zu erreichen, begründet für sich genommen nicht bereits eine Grundgeschäftsbezogenheit.
6. Allein die Tatsache, dass ein Anleger bereits Vorerfahrungen mit Swap-Verträgen hatte, lässt nicht auf ausreichend fundierte Kenntnisse schließen, die ihn zu einer verantwortbaren Entscheidung befähigen.
Normenkette
BGB § 280; GemO BW § 92
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 22.08.2008; Aktenzeichen 4 O 122/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Ulm, Az. 4 O 122/08, vom 22.8.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 710.000 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 100.000 EUR seit dem 28.12.2005, 28.6.2006, 28.12.2006, 28.6.2007 und 28.12.2007, aus 7.000 EUR seit dem 31.1.2006 sowie aus 203.000 EUR seit dem 19.12.2008 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert und Beschwer der Beklagten in beiden Instanzen: bis 850.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger ist der kommunale Abwasserzweckverband der Städte A. und B. sowie der Gemeinden C. und D. Er verlangt von der Beklagten - einer deutschen Großbank - Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Zins-Swap-Vertrages.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Sie werden wie folgt ergänzt: Nach dem vom LG hinsichtlich Zweck und Gegenstand dargestellten Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vom 30.9.1999 (K 1), auf dessen Grundlage in der Folge Swap-Geschäfte erfolgten, schlossen die Parteien am 22.02./20.3.2001 einen Beratungsvertrag über "Kommunales Finanzmanagement" (K 30). Dessen Ergebnisse mündeten in einer Abschlusspräsentation der Beklagten für den Kläger am 7.11.2001. In dieser wurden der Ausbau des bestehenden Reportings, der Einsatz neuer Instrumente (Forward-Kontrakte und Butterfly-Swaps), mögliche Zinssicherungen, insbesondere durch Zinsswaps, sowie die Zusammenfassung variabler Kredite in wenigen Swap-Vereinbarungen empfohlen. Weiter wurde in der Präsentation ausgeführt:
"Aus den Grundzielen der kommunalen Aufgabenerfüllung leitet sich automatisch ein Spekulationsverbot ab. Es gilt daher, sämtliche Risiken aber auch damit einhergehende mögliche Chancen weitestgehend auszugrenzen. Dies ist nur mit einem grundgeschäftsbezogenen Zinsmanagement möglich."
Am 9.1.2002 schloss die Stadt A., vertreten durch ihren Kämmerer, Herrn E., der zugleich kaufmännischer Geschäftsleiter des Klägers ist, einen Beratungsvertrag "halbjährliches Reporting" (K 31) ab.
Zur Vorbereitung des streitgegenständlichen CMS Spread Sammler Swap überließ die Beklagte dem Kläger ein Strategiepapier vom 8.6.2005 (Anlage K11). Unter der einleitenden Rubrik "Kundenpositionierung und Markterwartung" heißt es:
- "Sie verfügen über eine bestehende Euro-Finanzierung.
- Sie möchten Ihre hieraus resultierende Zinsbelastung reduzieren.
- Sie rechnen damit, dass sich die Differenz zwischen dem 10-Jahres-und dem 2-Jahres-EUR-Swapsatz (10 - bzw. 2-Jahres "Constant Maturity Swap (CMS) - Satz innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht deutlich verringern wird, d.h. die Zinsstrukturkurve nicht wesentlich flacher wird.
- Diese Markterwartung über die CMS-Differenz ("CMS-Spread") möc...