Leitsatz (amtlich)

Die Begleichung von Mietzinsverbindlichkeiten der späteren Insolvenzschuldnerin durch ihre Muttergesellschaft im Rahmen eines Cash Pools stellt auch dann eine inkongruente Deckung dar, wenn sämtliche Mietzinsen während der Vertragslaufzeit auf diese Weise bezahlt worden sind, ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Vermieters gegen die Muttergesellschaft aber nicht begründet worden ist.

 

Normenkette

InsO § 131 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 15.09.2017; Aktenzeichen Bö 10 O 235/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 15.09.2017 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 66.931,36 EUR

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr einer erhaltenen Mietzahlung in Anspruch.

Die Beklagte ist Eigentümerin der Immobilie DXXstraße XX in LXX. Diese Immobilie war vormals an die Streithelferin vermietet, welche das Objekt an die BXX PXX DXX GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) untervermietet hatte. Durch eine dreiseitige Vereinbarung vom 10.05./14.05./31.05.2012 verständigten sich die Schuldnerin, die Beklagte und die Streithelferin u.a. darauf, mit Wirkung zum 01.05.2012 das bestehende Untermietverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Streithelferin in ein unmittelbares Mietverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu überführen (Anlage B 5 = GA I 86). Unter dem 07.08.2012 stellte die Beklagte der Schuldnerin eine Dauermietrechnung über den monatlichen Mietzins nebst Betriebskostenvorauszahlungen und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 66.931,36 EUR (Anlage B 6 = GA I 92) aus, erstmals fällig am 01.07.2012. Im Wege der Banküberweisung erhielt die Beklagte am 11.09.2012 auf diese Dauerrechnung einen Betrag in Höhe von (3 × 66.931,36 EUR =) 200.794,08 EUR. Von demselben Bankkonto, dessen Inhaber auf dem Kontoauszug der Beklagten als "BXX PXX DEUTSCHL" bezeichnet wurde, wurde die monatliche Bruttomiete in Höhe von jeweils 66.931,36 EUR in der Folgezeit ab Oktober 2012 an die Beklagte überwiesen. Streitgegenständlich ist die Überweisung für den Juni 2013, welche am 12.06.2013 erfolgte und an diesem Tag auf dem Zielkonto der Beklagten wertgestellt wurde (Anlage B 8 = GA I 96). Aufgrund eines am 11.07.2013 bei Gericht eingegangenen Eigenantrags wurde am 01.10.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt.

Das Landgericht hat die auf Rückgewähr der Zahlung vom 12.06.2013 in Höhe von 66.931,36 EUR nebst Zinsen seit Insolvenzeröffnung gerichteten Klage stattgegeben. Das Landgericht hat gemeint, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass diese Zahlung nicht von einem eigenen Bankkonto der Schuldnerin erfolgt sei, sondern von dem Konto ihrer Alleingesellschafterin, der BXX PXX Deutschland GmbH. Es handele sich um eine mittelbare Zuwendung der Schuldnerin, welche ihre Gläubiger benachteilige, weil auf dem für die Schuldnerin bei der BXX PXX Deutschland GmbH geführten Verrechnungskonto (sog. Clearing-Konto) zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlung ein Guthaben zu Gunsten der Schuldnerin vorhanden gewesen sei. Selbst wenn kein Guthaben vorhanden gewesen wäre, würde dies an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung aber nichts ändern, weil der tatsächlich praktizierte Ausgleich von Verbindlichkeiten der Schuldnerin durch die BXX PXX Deutschland GmbH ein Guthaben der Schuldnerin auf dem Clearing-Konto nicht vorausgesetzt habe, so dass von einem konkludent geschlossenen Darlehensvertrag auszugehen sei. Diese mittelbare Zuwendung stelle eine nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbare inkongruente Deckung dar. Allein der Umstand, dass die Mietzinsverbindlichkeiten der Schuldnerin bereits zuvor durch die BXX PXX Deutschland GmbH beglichen worden seien, habe keinen Rechtsanspruch der Beklagten auf diesen Zahlungsweg begründet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie bringt im Wesentlichen vor,

entgegen der Annahme des Landgerichts sei es nicht unerheblich, ob die Beklagte erkennen konnte, dass die streitgegenständliche Zahlung von der BXX PXX Deutschland GmbH und nicht der Schuldnerin selbst stammte. Denn für die Zuordnung einer Zahlung sei die Empfängersicht maßgeblich. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Landgerichts würden unter Verstoß gegen Art....

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