Leitsatz (amtlich)
1. Zur Inhaltskontrolle, Auslegung und Unwirksamkeit von Jahresentgelt-Klauseln in einem Bausparvertrag.
2. Zur Wirksamkeit einer Klausel, gemäß der die Zustimmung des Bausparers zu bestimmten, in der Klausel definierten Änderungen als erteilt gilt, wenn dieser der Änderung nicht innerhalb von 2 Monaten nach Zugang einer Mitteilung über die Änderung widerspricht und bei Beginn der Frist auf die Bedeutung des unterlassenen Widerspruchs hingewiesen wurde.
Normenkette
BGB §§ 305c, 307
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 16.12.2022; Aktenzeichen 53 O 165/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.12.2022, Az. 53 O 165/22, berichtigt mit Beschluss vom 18.01.2023, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
I. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Bausparverträgen zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:
1. [§ 1 Wahl der Variante, Vertragsabschluss, Abschlussgebühr und Jahresentgelt, Variantenwechsel
...
(3)...]
Für den Bausparvertrag wird in der Sparphase, die mit der vollständigen Auszahlung des Bausparguthabens endet, ein jährliches Entgelt (Jahresentgelt) in der Variante
- Bonus von 9 Euro
- Niedrigzins, Klassik, Standard, Langzeit, UG5, UG6 und Express von 15 Euro
- KlassikPlus, StandardPlus, LangzeitPlus, FG5, FG6, PerspektivePlus, FN6 und W von 18 Euro
erhoben. Das Jahresentgelt berechnet die Bausparkasse jeweils bei Jahresbeginn - im ersten Jahr anteilig bei Vertragsbeginn.
2. [§ 20 Bedingungsänderungen
(1) Änderungen dieser Bedingungen werden dem Bausparer in Textform mitgeteilt] oder in den Hausmitteilungen der Bausparkasse bekannt gegeben.
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit 17.07.2022 zu bezahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird hinsichtlich der Verurteilung gem. Ziff. 1.2 des landgerichtlichen Tenors verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 42 % und die Beklagte 58 %. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen der Kläger 56 % und die Beklagte 44 %.
4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.12.2022, Az. 53 O 165/22, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.625,00 EUR
Gründe
I. 1. Der Kläger ist der Dachverband aller Verbraucherzentralen und in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Er wendet sich mit seiner Unterlassungsklage gem. § 1 UKlaG gegen drei Klauseln in den von der beklagten Bausparkasse verwendeten "Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge" (ABB), Stand 01.07.2020. Im Einzelnen:
a) § 1 Abs. 3 ABB regelt, dass für den Bausparvertrag in der Sparphase ein jährliches Entgelt zu bezahlen ist.
Der Kläger hält diese Klausel für unwirksam. Es handele sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Die Klausel weiche von den gesetzlichen Vorgaben des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie der §§ 1 und 6 BSpkG zu Lasten des Verbrauchers ab, da der Verbraucher, der in der Ansparphase Darlehensgeber sei, kein Entgelt für die Hingabe des eigenen Darlehens schulde und die Beklagte das ihr auf dem Bausparkonto zur Verfügung gestellte Darlehen im eigenen Interesse verwalte.
b) § 20 Abs. 1 ABB regelt, wie den Bausparern Änderungen dieser Bedingungen mitzuteilen sind.
Der Kläger hält diese Klausel für unwirksam, weil sich die Beklagte damit ein unbegrenztes, einseitiges Änderungsrecht vorbehalte, ohne dass sie das Interesse der Verbraucher berücksichtigen müsste. Außerdem sehe die Klausel kein Zustimmungserfordernis vor. Und schließlich sei die Klausel auch intransparent, weil eine bloße Mitteilung in einer "Hausmitteilung" ausreichen solle.
c) § 20 Abs. 3 Buchst. a) ABB regelt, dass bei bestimmten Änderungen der Bedingungen die Zustimmung als erteilt gilt, wenn der Bausparer der Änderung nicht binnen zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung nach § 20 Abs. 1 in Textform widerspricht und bei Beginn der Frist auf die Bedeutung des unterlassenen Widerspruchs hingewiesen wurde.
Der Kläger hält diese Klausel aus den zu § 20 Abs. 1 ABB vorgebrachten Gründen für unwirksam.
d) Ferner begehrt der Kläger die Zahlung eine Abmahnpauschale i.H.v. 260,00 EUR für die mit Schreiben vom 13.01.2022 erfolgte Abmahnung.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
I. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Bausparverträgen zu verwenden oder sich auf dies...