Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen Tr 6 O 195/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 8.3.2019, Az.: Tr 6 O 195/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.646,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.11.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs VW Tiguan 4Motion 2.0 TDI, ...
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter 1. genannten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,94 EUR freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 67 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 19 % und die Beklagte zu 81 %.
IV. Das vorliegende Urteil und das unter Ziff. II. genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn (jenes nach Maßgabe von Ziffer II.) sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die eine Seite kann die Vollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 42.793,23 EUR festgesetzt.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der klagende Neuwagenkäufer macht gegen die beklagte Automobilherstellerin und Verkäuferin - die ... AG - Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten Abgasskandal geltend.
I. Der Kläger kaufte am 13.9.2013 für 42.793,23 EUR brutto von der Beklagten einen Neuwagen VW Tiguan 4Motion 2.0 TDI, in dem ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist. In dessen Motorsteuerung wurde seitens der Beklagten eine Software zur Abgassteuerung installiert. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. Der "Modus 1" ist im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimiert. Er wird auf dem Prüfstand für die Bestimmung der Fahrzeugemissionen nach dem maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert und bewirkt eine höhere Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb ist der "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. An dem Fahrzeug wurde das von der Beklagten angebotene Softwareupdate aufgespielt. Das Fahrzeug hatte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Landgerichts einen Kilometerstand von 81.718, zum Zeitpunkt der Senatsverhandlung von 94.332. Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien in erster Instanz auf das angegriffene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
II. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 30.304,03 EUR nebst Zinsen seit 21.11.2017 und von 4 % Zinsen aus 42.793,23 EUR vom 26.9.2013 bis 19.11.2017 verurteilt, den Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des PKW festgestellt und die Beklagte zur Freistellung von Rechtsanwaltskosten des Klägers in Höhe von 1.706,94 EUR verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB zu. Die Beklagte habe, um den Absatz ihrer Dieselmotoren des Typs EA 189 zu steigern, die Motorsteuerungssoftware so programmiert, dass diese den Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus erkenne und das Fahrzeug in einen hierfür programmierten speziellen Fahrmodus versetze, um die für die Fahrzeugprüfung maßgeblichen Abgasgrenzen einzuhalten. Dabei habe die Beklagte eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugen aus eigennützigen Motiven, nämlich aus Gewinnstreben, in sittlicher anstößiger Weise zumindest billigend in Kauf genommen. Als Rechtsfolge ergebe sich ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Der Kläger müsse sich aber die gezogenen Nutzungen in Höhe von 12.489,20 EUR anrechnen lassen (geschätzte Gesamtlaufleistung: 280.000 km). Dem Kläger stehe zudem ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % gemäß §§ 849, 246 BGB beginnend mit dem Ablauf des Tages der Kaufpreiszahlung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zu. Der Annahmeverzug sei feststellen; das im Klageantrag liegende wörtliche Angebot des Klägers gegenüber der Beklagten genüge dafür. Dem Kläger stehe ...