Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 53 O 177/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.2022, Az. 53 O 177/22, abgeändert und die Verfügungsklage als derzeit unzulässig abgewiesen.

2. Die Berufung der Verfügungsklägerinnen wird zurückgewiesen.

3. Die Verfügungsklägerinnen tragen als Gesamtschuldnerinnen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. 1. Die Verfügungsklägerinnen Ziff. 1 bis 15 sind Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse, die Verfügungsklägerin Ziff. 16 verantwortet das Online-Portal "xxx" (nachfolgend Klägerinnen genannt). Die Verfügungsbeklagte ist eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts (nachfolgend Beklagte genannt).

Die Klägerinnen begehren im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung des Angebots der App xxx, welche seitens der Beklagten als Telemedienangebot betrieben wird, dies bezogen auf die Fassung vom 14.04.2022.

Die App xxx stellt auf Smartphones und andere onlinefähigen Mobilgeräte abgestimmte Nachrichteninhalte aus dem von der Beklagten betriebenen Internetauftritt ... dar. Bestimmte Inhalte von ... können über eine "...App" auf Smartphones und anderen onlinefähigen Mobilgeräten abgerufen werden. Das Telemedienkonzept von ... wurde durch Beschluss des 456-Rundfunkrats vom 02.07.2010 genehmigt (vgl. Anlage AG3 LGA). In der Folgezeit wurde ein Telemedienänderungskonzept des entwickelten Angebots von ... vom 08.09.2021 (Anlage AG12 LGA) mit Beschluss vom 20.05.2022 genehmigt, veröffentlicht im Gesetzblatt für Baden-Württemberg am 29.07.2022 und im Staatsanzeiger für -- am 25.07.2022. Die streitgegenständliche App xxx ist keinem eigenständigen Genehmigungsverfahren unterzogen worden.

Die Beklagte bewirbt ihre App xxx mit folgenden Angaben (Anlage AS25, Anlagenheft AS, Blatt 169 LGA): "Unsere App hat keine Werbung, keine Abo-Fallen und keine versteckten Kosten, wir schwören! Das geht, weil xxx ein Angebot des sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Heißt: Wir werden finanziert durch den "Rundfunkbeitrag". Sowie: "Volle Kontrolle. Deine Themen. Dein Style. Kein Gelaber. Keine Werbung."

Die Beklagte hat im Laufe des erstinstanzlichen Rechtsstreits zwei strafbewehrte Unterlassungserklärungen betreffend insgesamt 260 einzeln bezeichneter Nachrichtenbeiträge abgegeben (vgl. Anlage AG4 und AG7 LGA). 17 weitere Beiträge sind unstreitig presseähnlich.

Des Weiteren unstreitig existiert eine von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eingerichtete Schlichtungsstelle im Sinne des § 30 Abs. 7 S. 6 MStV (inhaltsgleich mit § 11d Abs. 7 S. 4 RStV a.F.). Eine Schlichtungsvereinbarung wurde zwischen BDZV und ARD geschlossen (Anlage AG27). Ein vorheriges Schlichtungsverfahren hat nicht stattgefunden.

Die Klägerinnen haben vorgetragen, die App xxx stelle ein eigenständiges Telemedienangebot der Beklagten dar, welches nach § 32 MStV genehmigungspflichtig sei. Es sei nicht von der Genehmigung des Telemedienkonzepts ... erfasst, denn es handle sich um ein wesentlich geändertes Telemedienangebot mit neuer Zielgruppe. Die Beklagte habe die App überdies als neuartig beworben. Auch gebe es bereits eine ...App, welche das Telemedienangebot ... widerspiegele. Somit werde die App xxx als eigenständiges Angebot wahrgenommen, welches ohne Rückgriff auf ein anderes Telemedienangebot nutzbar sei. Die App xxx sei hinsichtlich ihrer nichtsendungsbezogenen Inhalte als presseähnliches Telemedienangebot anzusehen und damit gemäß § 30 Abs. 7 MStV unzulässig. Die presseähnliche Struktur ergebe sich unter anderem aus dem am Anfang der Beiträge aufgeführten stehenden Bild und dem Überwiegen von Textbeiträgen unter lediglich nachgeordneter Einbindung von Video- und Audiobeiträgen. Für die Beurteilung der Presseähnlichkeit sei allein auf die Inhalte der App xxx als eigenständiges Telemedienangebot abzustellen.

Die Beklagte hat vorgetragen, verbiete man die Ausspielung der App xxx, liege eine Marktzugangsregelung vor, deren Beurteilung nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterfalle. Die Verpflichtung zur Schlichtung gemäß § 30 Abs. 7 S. 6 MStV stehe der Zulässigkeit der Klage entgegen. Die App xxx sei eine vom genehmigten Telemedienkonzept ... erfasste Ausspielungsform. Das Gericht sei an diese Genehmigung, wiederholt durch die Genehmigung des Telemedienänderungskonzepts, gebunden. Die App xxx betreffe lediglich einen Ausschnitt der bereits von ... angesprochenen Zielgruppe und setze sich ausschließlich aus Inhalten von ... zusammen. Die Inhalte von ... seien zudem über einen in der App vorhandenen Link abrufbar und innerhalb der App vollständig darstellbar. Die Version der App xxx vom 14.04.2022 sei eine historische und damit unmaßgebliche Testversion. Eine Presseähnlichkeit der nichtsendungsbezogenen Beiträge liege bereits deswegen nicht vor, da jeder Beitrag bequem als Audio-Beitrag hörbar ge...

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