Leitsatz (amtlich)
1. Sind die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung in einem deutschen Insolvenzverfahren nach deutschem Recht gegeben, so kommt gemäß Art. 13 EUInsVO bei Rechtsgeschäften nach ausländischem Recht (hier: Österreich) ein Rückgewährungsanpruch nur in Betracht, wenn auch nach diesem ausländischem Recht Anfechtbarkeit besteht.
2. Sind diese Voraussetzungen grundsätzlich gegeben und die Anfechtungsfrist von 3 Jahren nach deutschem Recht eingehalten, die 1-jährige Frist zur Klageerhebung nach österreichischem Recht jedoch verstrichen, so steht dies dem Rückgewährungsanspruch jedenfalls dann nicht entgegen, wenn vor Ablauf der österreichischen Frist zur Klageerhebung die Anfechtung wenigstens rechtsgeschäftlich erklärt wurde.
3. Art. 13 EUInsVO bezieht sich nur auf den Anfechtungstatbestand, aber nicht auf die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtunsrechts.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Entscheidung vom 28.09.2011; Aktenzeichen 6 O 395/09) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 28.09.2011 - Az. 6 O 395/09 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe des insgesamt vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 11.778,45 EUR
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Frage, ob im Rahmen der Auslegung aus Art. 13 EUInsVO folgt, dass eine verstrichene Ausschlussfrist nach österreichischem Insolvenzanfechtungsrecht eine Insolvenzanfechtung nach deutschem Recht verhindern kann.
Die deutsche E GmbH mit Sitz in T betrieb einen betrügerischen Autohandel in Form eines Schneeballsystems. Für den österreichischen Markt bediente sie sich dazu einer Tochtergesellschaft, der österreichischen Schuldnerin E A GmbH mit Sitz in B. Diese gewann u.a. den österreichischen Beklagten als Kunden. Weil der PKW-Kauf wegen Nichterfüllung scheiterte, erwirkte der Beklagte beim Bezirksgericht B gegen die Schuldnerin am 17.03.2008 einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl über 9.566,- EUR zuzüglich Zinsen. Das Bezirksgericht B als Vollstreckungsgericht bewilligte am 20.05.2008 die Fahrnis- und Forderungsexekution, mit der drei Konten der Schuldnerin gepfändet wurden. Auf Eigenantrag vom 13.04.2008 eröffnete das (für den Sitz der Muttergesellschaft zuständige) Amtsgericht R mit Beschluss vom 04.08.2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der österreichischen Schuldnerin und bestellte den Kläger als Insolvenzverwalter. Rund sieben Monate danach, am 17.03.2009, zahlte die Sparkasse F als Drittschuldnerin aufgrund der Pfändung den streitgegenständlichen Betrag von 11.778,48 EUR an den Beklagten aus, nachdem der vorab informierte Kläger keine Einwendungen erhoben, sich jedoch die Anfechtung vorbehalten hatte (vgl. Schreiben vom 10.03.2009). Rund zehn Monate nach Insolvenzeröffnung erklärte der Kläger mit außergerichtlichem Schreiben vom 03.06.2009 die Insolvenzanfechtung bezüglich der Fahrnis- und Forderungsexekution vom 20.05.2008 und der Auszahlung vom 17.03.2009.
Mit der am 14.10.2009 bei Gericht eingegangenen und am 23.10.2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger gemäß § 131 InsO die Rückgewähr des vereinnahmten Betrags zur Masse, weil der Beklagte in Form von Pfändungspfandrecht und Erfüllung des titulierten Anspruchs eine Sicherstellung bzw. Befriedigung erlangt habe, die ihm zu dieser Zeit nicht zugestanden habe.
Der Beklagte hält demgegenüber eine Insolvenzanfechtung nach dem seiner Auffassung nach allein anwendbaren österreichischen Insolvenzanfechtungsrecht für ausgeschlossen, weil die Anfechtung nicht innerhalb eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens klagweise geltend gemacht worden sei.
Das Landgericht hat durch das angegriffene Urteil der Anfechtungsklage stattgegeben. Zur Begründung führt es - auf der Grundlage eines Rechtsgutachtens von Prof. Dr. H - aus, die deutschen Gerichte seien nach Art. 3 Abs. 1 EUInsVO aufgrund einer Annexkompetenz für die Insolvenzanfechtung international zuständig, sofern wie vorliegend das Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet worden sei. Auf dieses Verfahren sei nach Art. 4 Abs. 2 lit. f) und m) EuInsVO grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden, so dass sich auch die Insolvenzanfechtung nach deutschem Recht richte. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 131 InsO wegen inkongruenter Deckung seien sowohl in Bezug auf die Vollstreckungsbewilligung (Pfändung) als auch in Bezug auf die Auszahlung des titulierten Betrages an den Beklagten erfüllt. Der Anwendung dieser Vorschriften stehe nicht gemäß Art. 13 EUInsVO die Einrede entgegen, dass für diese Handlungen österreichisches Anfechtungsrecht heranzuziehen sei und nach diesem die Handlungen unang...