Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel, die eine Vermittlungsprovision vorsieht, wenn ein Auftraggeber im Zusammenhang mit einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem überlassenen Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, ist unangemessen und deshalb unwirksam, wenn sich die Provisionshöhe nicht (auch) am künftigen Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers orientiert und deshalb im Einzelfall die Provision die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern überschreiten kann.
Normenkette
AÜG § 9 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 307
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 21.08.2020; Aktenzeichen 12 O 485/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.08.2020, Az. 12 O 485/19, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheiten in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.994,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche aus Vermittlung von zwei Leiharbeitnehmern aus und im Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerüberlassung.
Die Klägerin betreibt gewerblich Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte ist Inhaberin eines Betriebes für Metallbau und Schlosserei. Am 14.08.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (Anlage K 1, im Folgenden: AÜV), der eine Laufzeit ab 15.08.2018 bis 14.02.2020 vorsah. Der AÜV enthält in § 11 (Übernahme von Mitarbeitern / Vermittlung / Provision) folgende Bestimmungen:
1. Eine Vermittlung liegt vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen während der Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit dem Arbeitnehmer der sky Personal ein Arbeitsverhältnis eingeht. Eine Vermittlung liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Überlassung, mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis eingeht.
...
5. In den Fällen der 11.1 und 11.2 hat der Auftraggeber eine Vermittlungsprovision an die sky Personal zu zahlen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind im gleichen Umfang provisionspflichtig wie unbefristete Arbeitsverhältnisse. Die sky Personal erhält eine Vermittlungsprovision nach folgender Staffelung:
- bis 4 Monate Überlassungsdauer 300 Std. × Verrechnungssatz
- bis 8 Monate Überlassungsdauer 200 Std. × Verrechnungssatz
- bis 12 Monate Überlassungsdauer 100 Std. × Verrechnungssatz
- Nach dem 12. Monate ununterbrochener Überlassungsdauer ist keine Provision mehr zu entrichten.
...
6. Berechnungsgrundlage der Vermittlungsprovision ist der zwischen dem Auftraggeber und der sky Personal angebotene bzw. vereinbarte Verrechnungssatz. Bei Unterbrechungen ... Die Vermittlungsprovision ist zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Fälligkeit der Vermittlungsprovision richtet sich nach § 6.1.
...
Auf Grundlage dieses Vertrags überließ der Kläger der Beklagten die beiden Leiharbeitnehmer Ko. und Ku.. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 18.11.2018 der Klägerin mit, dass der Einsatz der beiden Mitarbeiter am 21.12.2018 ende und diese am 07.01.2019 wiederkommen sollen (Anlage K 5). Zum 21.12.2018 endete die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer bei der Beklagten. Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 05.12.2018 den Leiharbeitnehmern zum 21.12.2018 (Anlage B 2). Ob die Mitteilung der Beklagten vom 18.11.2018 Grund für die Kündigung ist, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Kläger fertigte neue Arbeitsverträge vom 12.12.2018 mit den beiden Leiharbeitnehmern mit Arbeitsbeginn 07.01.2019 (Anlagen K 6 und 7). Ob sie an die Mitarbeiter gesandt wurden, ist umstritten. Mit Schreiben vom 21.12.2018 kündigte die Beklagte sodann den AÜV zum 04.01.2019 (Anlage K 8). Ob der Kläger sodann den Einsatz der beiden Mitarbeiter bei einer anderen Firma in Göttingen geplant hat, ist zwischen den Parteien ebenfalls umstritten.
Zum 07.01.2019 stellte die Beklagte die beiden Mitarbeiter bei sich ein, der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses ist streitig, ebenso ob die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsvertrag zur Klägerin standen.
Mit Rechnung vom 25.02.2019 stellte der Kläger der Beklagten insgesamt 14.994 Euro brutto, die Klageforderung, als Vermittlungsprovision in Rechnung, berechnet auf Grundlage des § 11 Abs. 5 AÜV. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro forderte unter Vorlage der Rechnung die Bezahlung mit Schreiben vom 18.03.2019 an. Diese darin geforderte Vermittlungsprovision ließ die Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2019 zurückweisen. Der Kläger ließ mit Anwaltsschreiben vom 11.04.20...