Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücktrittsrecht im Erbvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Rücktrittsrecht im Erbvertrag endet grundsätzlich mit dem Todes eines Vertragspartners (§ 2298 Abs. 2 S. 2 BGB), wenn nicht durch Auslegung ein anderer Wile ermittelt werden kann.
2. Der Zuwendungsverzichtsvertrag wirkt nicht zu Lasten der Ersatzerben. Die für den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht geltende Ausnahmevorschrift des § 2349 BGB findet auf den Zuwendungsverzicht nach § 2352 BGB keine Anwendung.
Normenkette
BGB § 2298 Abs. 2, §§ 2349, 2352
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 28.11.1996; Aktenzeichen 7 O 301/96) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. November 1996 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart – 7 O 301/96 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
4. Die Beschwer der Klägerin beträgt über 60.000,00 DM.
Berufungsstreitwert: 3 Millionen DM
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß sie Alleinerbin des am 27.12.1995 verstorbenen A. H. ist.
Die Klägerin ist die zweite Ehefrau des A. H.. Die Beklagten sind die Abkömmlinge des Adoptivsohns des A. H. und seiner am 14.02.1985 vorverstorbenen ersten Ehefrau. A. H. und seine vorverstorbene erste Frau L. H. haben am 2.09.1982 vor dem Notar F. in S. einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen. Nach Ziff. II A. verfügte A. H. vertraglich die Erbeinsetzung der Ehefrau bzw. des Adoptivsohnes G. H. H. je zur Hälfte. Zum Ersatzerben der Ehefrau wurde der Adoptivsohn G. H.-H., zu Ersatzerben des Adoptivsohnes dessen Abkömmlinge nach gesetzlicher Regel bestimmt.
Unter D wurden die Bestimmungen des Erbvertrages als vertragsmäßig und wechselbezüglich bezeichnet. Jeder Ehegatte behielt sich das Recht zum Rücktritt von diesem Erbvertrag vor (Anl. K 2 zum Schriftsatz vom 2.07.1996; Bl. 11 d.A.).
Durch handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament vom 4.07.1986 setzte A. H. seine zweite Ehefrau, die Klägerin zu seiner Alleinerbin ein (K 3). Am 23.03.1987 schloß A. H. mit dem Vertragserben G. H. -H. einen Zuwendungsverzichtsvertrag (K 4), mit dem dieser auf seine Erbeinsetzung und den Pflichtteil verzichtete. Mit notarieller Urkunde vom 7. Januar 1991 schloß A. H. mit der Klägerin einen notariellen Erbvertrag, in dessen § 1 er die Klägerin zu seiner Alleinerbin einsetzte. Mit einer handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen letztwilligen Verfügung vom 6.02.1993 bestimmte A. H., daß die Ersatzerbeneinsetzung der Abkömmlinge des G. H. -H. aufgehoben wird (K 6 d.A.). Mit notariell beurkundeter letztwilliger Verfügung vom 25. Februar 1993 hob AH die Ersatzerbenregelung zugunsten der Abkömmlinge des G. H. -H. auf (K 7).
Die Klägerin hat vorgetragen, daß A. H. zum Rücktritt von dem Ehe- und Erbvertrag vom 2.09.1982 befugt gewesen sei und diesen Rücktritt auch wirksam erklärt habe. Sinn und Zweck des am 2.09.1982 abgeschlossenen Ehe- und Erbvertrags sei es gewesen, das Familienunternehmen H. & Co. über die nächsten zwei Generationen hinweg als Familienunternehmen zu erhalten. Sollte dies nicht möglich sein, so sollte der Ehegatte vom Erbvertrag zurücktreten können, und zwar unabhängig davon, ob der andere Ehegatte bereits vorverstorben war oder nicht. Da sehr schnell deutlich geworden sei, daß G. H. -H. für die Leitung des Familienunternehmens nicht geeignet gewesen sei, hätten die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts vorgelegen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß sie Alleinerbin des am 27.12.1995 in Stuttgart, Stadtteil Obertürkheim, verstorbenen A. H. ist.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Adoptivsohn G. H.-H. habe im Zeitpunkt der Adoption im Jahr 1979 bereits 16 Jahre im Unternehmen mitgewirkt, und zwar zuletzt als Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer. Es könne keine Rede davon sein, daß sich in der Folgezeit nach Abschluß des Erbvertrags vom 2.09.1982 gezeigt habe, daß dieser zur Führung des Unternehmens ungeeignet sei.
Aus dem Ehe- und Erbvertrag vom 2.09.1982 ergebe sich ohne weiteres, daß das Rücktrittsrecht nur zu Lebzeiten beider Ehegatten gelten sollte und nach dem Tod eines Ehegatten ausgeschlossen sei.
Das Landgericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 14.11.1996 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F. und H.. Wegen des Inhalts der Zeugenangaben wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.11.1996 (Bl. 91–99 d.A.) Bezug genommen. Durch das am 28. November 1996 verkündete Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 13.12.1996 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 1997 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18. März 1997 am 3. März 1997 begründet.
Die Klägerin trägt vor, A. H. sei wirksa...