Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 29.08.2019; Aktenzeichen I 3 O 31/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 29.08.2019, Az. I 3 O 31/19, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 24.989,69 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Sharan 2.0 l TDI CR 103 K, EZ: 05.04.2012, Fahrzeug-Ident-Nr.: ..., zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 26.503,70 EUR.

 

Gründe

A. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz sowie Feststellung des Annahmeverzugs aufgrund des Erwerbs eines vom so genannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs in Anspruch.

Die Kläger erwarben am 11.01.2012 von der Firma A. GmbH & Co. KG, H., einen Neuwagen der Marke VW Sharan 2,0 l TDI CR 103 KW zu einem Kaufpreis von 35.393,65 EUR (Auftragsbestätigung in Anl. K 1, GA I 18/19).

Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor.

Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung. Diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.

Das Kraftfahrtbundesamt vertrat mit Bescheid vom 15.10.2015 die Ansicht, dass es sich bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es erlegte der Beklagten auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen.

Die Beklagte bietet den betroffenen Fahrzeughaltern ein kostenloses Software-Update an, mit welchem aus ihrer Sicht den Anforderungen des Kraftfahrtbundesamtes genügt wird. Die Kläger haben dieses Software-Update installieren lassen.

Die Klage ist am 19.02.2019 beim Landgericht Heilbronn eingegangen und der Beklagten am 25.02.2019 zugestellt worden.

Die Kläger, die erstinstanzlich wie im Berufungsverfahren beantragt haben, haben im Wesentlichen vorgetragen,

ihnen stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB zu. Das von ihnen erworbene Fahrzeug sei mit einer gesetzeswidrigen Software ausgestattet, weshalb mit einer Betriebsuntersagung und Außerbetriebsetzung gerechnet werden müsse. Ein verständiger Kunde hätte ein solches Fahrzeug nicht erworben. Das Verhalten der Beklagten stelle sich insoweit als grob sittenwidrig dar. Sie habe ihre Kunden, Wettbewerber und Behörden vorsätzlich getäuscht. Der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von den diese Sittenwidrigkeit begründenden Umständen besessen.

Die Handlungen der Beklagten seien kausal für den entstandenen Schaden, nämlich den Abschluss des für die Kläger nachteiligen Kaufvertrages. Im Wege des Schadensersatzes sei deshalb der streitgegenständliche Vertrag rückabzuwickeln. Sie könnten deshalb die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges verlangen. Auf diesen Anspruch ließen sie sich eine Nutzungsentschädigung auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km anrechnen.

Die Ansprüche der Kläger seien nicht verjährt. Von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Kläger in Bezug auf die anspruchsbegründenden Tatsachen könne im Jahr 2015 noch nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat ausgeführt, den Klägern stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Insoweit fehle es bereits an einem durch den Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages eingetretenen Schaden nach der Differenzhypothese. Zumindest sei ein Schaden nach dem Aufspielen des Software-Updates nicht mehr gegeben.

Unabhängig davon lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB nicht vor. Nach Auffassung der Beklagten sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden. Von einem vorsätzlichen sittenwidrigen Verhalten der Beklagten könne insoweit nicht ausgegangen werden.

Weiter seien auch die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1 StGB; 27 Abs. 1 EG-...

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