Leitsatz (amtlich)

Hat ein Architekt vertraglich die Mitwirkung bei der Auftragserteilung übernommen (Grundleistung h) der Leistungsphase 7 nach Anlage 11 zu § 33 S. 3 HOAI (2009), kann der Bauherr ohne weitere vertragliche Vereinbarung von dem Architekten keine umfassende juristische Beratung zu Vertragsklauseln erwarten, sondern die Verpflichtung des Architekten beschränkt sich auf eine Anwendung der Grundzüge des Rechts unter Berücksichtigung der gängigen Rechtsprechung.

 

Normenkette

BGB § 280; HOAI 2009 § 33 S. 3 iVm Anlage 11

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 23.12.2021; Aktenzeichen 7 O 426/20)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.11.2023; Aktenzeichen VII ZR 190/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 23.12.2021, Az. 7 O 426/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 3/4 und der Beklagte 1/4 zu tragen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 125.098,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrte in erster Instanz ursprünglich die Zahlung von 351.022,63 EUR.

Anfang 2010 beauftragte der Rechtsvorgänger der Klägerin, M.V. e.K., den Beklagten mit Architektenleistungen jedenfalls der Leistungsphasen 1-8 bezüglich eines Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes in Eningen unter Achalm.

Mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 16.12.2011 wurden die Ansprüche von M.V. e.K. mit Wirkung vom 25.07.2012 auf die Klägerin übertragen.

Soweit die Klägerin wegen Mängeln ursprünglich 224.731,50 EUR (inkl. MwSt.) als Vorschuss zur Mangelbeseitigung und 1.192,38 EUR als Ersatz für von der Klägerin verauslagter Mangelbeseitigungskosten verlangt hatte, haben die Parteien zur Erledigung dieser Ansprüche einen Teilvergleich (Bl. 344 LGA) geschlossen. Der Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung von 83.000,00 EUR nebst Zinsen an die Klägerin. Die Klägerin begehrt noch Zahlung von 125.098,75 EUR.

Der Beklagte hatte für das streitgegenständliche Bauvorhaben das Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung erstellt und der Klägerin Bauvertragsentwürfe zur Verfügung gestellt.

Mit Bauvertrag vom 03.03.2011 beauftragte M.V. e.K. die J. Bau GmbH mit Erd- und Kanalisationsarbeiten sowie Rohbauarbeiten (Anlage K 13, BI. 45 LGA). Dieser Bauvertrag enthält unter dem Buchstaben E auf S. 4 (BI. 48 LGA) folgende Vereinbarung:

"Die Fa. J. gewährt ein Abgebot von 2 % und ein Skonto von 3 % bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften u. angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft."

Dem Bauvertrag war als Anlage 1 ein Schreiben der J. Bau GmbH an M.V. e.K. mit Datum vom 03.03.2011 beigefügt (BI. 49 LGA). Unter Ziffer 1. heißt es dort:

"Unser Angebot 22.02.2011 gilt in Verbindung mit unserem Anschreiben vom 22.02.2011. Ergänzt wurde das Angebot wie folgt:

Schreiben vom 24.02.2011: Angebotserweiterung, Preisreduzierung Pos 5.30 und 5.100, Erweiterung Skonto von 2 auf 3 %."

Von der Schlussrechnung der J. Bau GmbH vom 24.03.2013 (Anlage K 15, BI. 56 LGA) über 3.504.166,50 EUR (netto) behielt die Klägerin einen 3 %-igen Skontoabzug von 105.125,00 EUR netto (entsprechend 125.098,75 EUR brutto) ein

Die J. Bau GmbH erhob im Rechtsstreit der Klägerin gegen die J. Bau GmbH vor dem Landgericht Tübingen, Az.: 5 O 89/18, Widerklage gegen die Klägerin auf Zahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages in Höhe von 125.098,75 EUR und stützte dies auf die Unwirksamkeit der Skontoklausel.

Im Rahmen eines Prozessvergleichs ließ sich die Klägerin diesen Betrag auf die von ihr gegen die J. Bau GmbH geltend gemachten Ansprüche anrechnen, die J. Bau GmbH verpflichtete sich zur Zahlung von 55.000,00 EUR an die Klägerin. Insoweit wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung im Rechtsstreit 5 O 89/18 vom 09.07.2019 (Anlage K 16, BI. 81 ff. der Akten) verwiesen.

Die Klägerin bringt vor, ihr sei der auf die Schlussrechnung der J. Bau GmbH vorgenommene Skontoabzug nicht verblieben, da die vom Beklagten vorgeschlagene Skontoklausel unwirksam gewesen sei, der Beklagte sei ihr in dieser Höhe zum Schadensersatz verpflichtet.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes 1. Instanz sowie die Antragstellung 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Tübingen verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 125.098,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. Januar 2021 sta...

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