Leitsatz (amtlich)
Bei Eheleuten sind regelmäßig keine zwei Widerrufsbelehrungen notwendig.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 11.03.2016; Aktenzeichen 8 O 402/15) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 11.03.2016, Az. 8 O 402/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die erste Instanz wird in Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts auf 37.884,24 EUR festgesetzt. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 40.113,44 EUR.
Gründe
I.1. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines 2006 abgeschlossenen Darlehensvertrags.
Der Kläger und seine zwischenzeitlich 2011 verstorbene Ehefrau benötigten im November 2006 eine Immobilienfinanzierung. Zu diesem Zweck suchte jedenfalls der Kläger am 09.11.2006 eine Filiale eines Handelsvertreters der Beklagten in B. auf. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde der Kreditwunsch des Klägers und seiner Ehefrau besprochen. Der Kläger erhielt ein mit "Darlehensantrag" überschriebenes Formular, das vor Ort ausgefüllt und unterzeichnet wurde (Anlage B1).
Nach positiver Bonitäts- und Beleihungsprüfung erhielten der Kläger und seine Ehefrau von der Beklagten mit Datum vom 22.11.2006 ein Darlehensangebot, dem ein Exemplar für die Unterlagen des Klägers und seiner Ehefrau beigefügt war.
Der Darlehensvertrag enthielt auf Seite 5 folgende Widerrufsbelehrung:
Der Kläger und seine Ehefrau unterzeichneten den Darlehensvertrag am 23.11.2006 und sandten den unterschriebenen Darlehensvertrag an die Beklagte zurück. Eine (weitere) Ausfertigung des Darlehensvertrags erhielt der Kläger in der Folgezeit von der Beklagten nicht.
Mit Schreiben vom 05.11.2014 widerrief der Kläger seine zum Darlehensvertrag führende Willenserklärung (Anlage K2). Mit Schreiben vom 12.11.2014 wies die Beklagte den Widerruf zurück (Anlage K3).
Da der Widerruf des Klägers durch die Beklagte nicht akzeptiert wurde, zahlte der Kläger die vereinbarten Raten von monatlich 222,92 EUR an die Beklagte ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und unter Rückforderungsvorbehalt weiter.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei und die Frist zum Widerruf deshalb zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen sei.
2. Das LG hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger habe zum Zeitpunkt des Widerrufs kein Widerrufsrecht mehr zugestanden. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung habe den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist im November 2014 bereits abgelaufen sei.
3. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiter. Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger Folgendes aus:
a) Die Beklagte hätte beide Darlehensnehmer separat belehren und separate Widerrufsbelehrungen erteilen müssen. Beide Darlehensnehmer hätten unabhängig vom anderen von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen können. Träten mehrere Personen als Mitkreditnehmer auf, so komme der Schutz der §§ 491 ff BGB grundsätzlich jedem der Beteiligten zugute, sofern bei ihm die Voraussetzungen des § 13 BGB vorlägen. Die Formvorschriften und Belehrungserfordernisse seien sodann gegenüber jedem von ihnen zu wahren.
Weil jeder Darlehensnehmer unabhängig vom anderen sein Widerrufsrecht geltend machen dürfe, müsse diese Möglichkeit jedem beteiligten Darlehensnehmer gesondert und deutlich vor Augen geführt werden. Der Kläger und seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau hätten als Mitdarlehensnehmer gesondert über ihr jeweils bestehendes Widerrufsrecht dergestalt belehrt werden müssen, dass die Beklagte jedem einzelnen ein Eigenexemplar der Widerrufsinformation hätte gesondert aushändigen müssen. Das habe sie unstreitig versäumt.
b) Die an beide Darlehensnehmer gemeinsam gerichtete Formulierung "Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb ..." ("Sie" als Pluralform, jedoch "Vertragserklärung" im Singular, vgl. Satz 1 der Widerrufsbelehrung) mache in keiner Weise deutlich, dass jeder einzelne Darlehensnehmer den Vertrag gesondert widerrufen könne. Die Formulierung lege vielmehr nahe, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht nur gemeinsam ausüben könnten. Beide hätten eigene, übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben, nicht lediglich eine "Gesamtwillenserklärung". Es entstehe durch diese Formulierung "Vertragserklärung" und durch den Umstand, dass beiden Klägern nur ein Exemplar der Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden sei, aus Sicht eines durchschnittlichen, rechtsunkundigen Verbrauchers der falsche Eindruck, dass ein Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern nur gemeinschaftlich, also nur in Absprache miteinander möglich sei.
Da Widerrufsbelehrungen einheitlich auszulegende AGB seien, gelte im Sinne der gebotenen verbraucherfreundlichsten Auslegung jedenfalls, dass diese Unklarheit bei der Gestaltung der eigenen, selbstgestrickten Widerruf...