Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommanditistenhaftung: Rückforderung nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Ausschüttungen durch Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Kommanditisten haften gem. § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB grundsätzlich nicht für Masseverbindlichkeiten und -kosten.
2. Die sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters erstreckt sich deshalb auf den Umfang bereits vereinnahmter Rückzahlungen anderer Kommanditisten, die zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen.
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.06.2018, Az. 15 O 45/17, wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt
bis zum 21.08.2018 auf 44.000 Euro
ab dem 22.08.2018 auf bis zu 19.000 Euro.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der MS "S." Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (Schuldnerin), an der sich der Beklagte mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 204.516,68 Euro beteiligt hatte; dieser Betrag war als Haftsumme im Handelsregister eingetragen. Der Kläger forderte ursprünglich mit der am 10.03.2017 zugestellten Klageschrift vom 17.02.2017 von dem Beklagten die Rückzahlung von Ausschüttungen in Höhe von 44.000 Euro. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt.
Die Schuldnerin betrieb das Schiff MS "S.". Die Jahresabschlüsse der Schuldnerin in den Jahren 2002 bis 2012 wiesen durchweg nicht durch Kommanditeinlagen gedeckte Verlustanteile aus. Am 22.08.2013 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Am 06. 09. 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger behauptete zunächst, in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin hätten 25 Gläubiger Insolvenzforderungen in einer Gesamthöhe von 8.455.264,12 Euro zur Tabelle angemeldet und legte bei Klagerhebung eine "Tabelle nach § 175 InsO" (K 2) vor. Darin war unter anderem die Forderung der H Bank in Höhe von 5.466.661,43 Euro enthalten. Auf den Insolvenzanderkonten hätten sich zu diesem Zeitpunkt Beträge in Höhe von 1.615.500,42 Euro und 493.930,42 USD befunden. Da die Insolvenzmasse die Forderungen bei weitem nicht gedeckt habe, sei die Inanspruchnahme des Klägers als Kommanditist der Gesellschaft erforderlich gewesen.
Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens aktualisierte der Kläger seine Angaben und teilte mit, die H Bank habe ihren Forderungsausfall unter Berücksichtigung des Verwertungserlöses des Schiffes mit Schreiben vom 19.12.2017 (K10) auf 1.708.225 Euro statt ursprünglich 5.466.661,43 Euro beziffert. Insgesamt seien Forderungen in Höhe von 5.904.895,19 Euro zurückgenommen worden (Schriftsatz vom 04.01.2018, GA II 276 ff).
Der Beklagte bestreitet den Bestand von Gläubigerforderungen und ist der Auffassung, dass es an substantiiertem Vortrag zur Existenz von Gläubigerforderungen fehle und dass die vorgelegte Insolvenztabelle dafür jedenfalls nicht ausreiche. Die den Forderungen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte bestreitet er mit Nichtwissen. Er erhebt gegen die Gläubigerforderungen die Einreden der Verjährung und der Erfüllung. Außerdem machte der Beklagte bereits erstinstanzlich geltend, dass Masseunterdeckung nicht bestehe und seine Inanspruchnahme nicht erforderlich sei.
Das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen, hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Der Beklagte hafte als Kommanditist gem. § 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB. Der Kläger habe den Bestand von Insolvenzforderungen ausreichend dargelegt, es genüge die Vorlage einer "Insolvenztabelle". Einwendungen dagegen seien dem Beklagten gem. §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB abgeschnitten. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass seine Inanspruchnahme nicht erforderlich sei. Letztlich könne der Kläger den Anspruch trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit geltend machen. Eine Verjährung der Gläubigerforderungen sei nicht eingetreten.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere müsse die Klage schon daran scheitern, dass der Kläger Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Danach sei er zur Geltendmachung von Ansprüchen gem. § 171 Abs. 2 HGB nicht mehr befugt. In diesem Sinn hätten schon diverse Obergerichte entschieden.
Des Weiteren rügt er, das Landgericht habe sich mit einem Großteil seiner Einwendungen nicht auseinandergesetzt. Es gehe fehlerhaft davon aus, dass die vom Kläger vorgelegten Tabellen zur Substantiierung de...