Leitsatz (amtlich)
Einer erbvertraglichen Bestimmung, welche die Berufung eines Abkömmlings zum Nacherben davon abhängig macht, daß er nach dem Hausgesetz eines Adelsgeschlechts aus einer ebenbürtigen Ehe abstammt und in einer solchen lebt, ist heute die rechtliche Durchsetzbarkeit zu versagen (Abweichung von Bay ObLGZ 96, 204).
Normenkette
BGB § 242
Tatbestand
Vorbemerkung:
In dem für die Erbfolge maßgebenden Erbvertrag ist Nacherbfolge angeordnet und dazu bestimmt:
Erbe kann nicht sein (erbunfähig ist), wer nach den Feststellungen des Schiedsgerichts nicht aus einer den Grundsätzen der alten Hausverfassung des … Hauses entsprechenden Ehe stammt oder in einer nicht hausverfassungsgemäßen Ehe lebt.
…
Über alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die bei der Auslegung und Ausführung dieses Erbvertrags, insbesondere über die Voraussetzungen der Erbunfähigkeit … entstehen, soll unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht entscheiden.
Nachlaßgericht und Landgericht haben die Erbunfähigkeitsklausel für unwirksam gehalten und im Wege ergänzender Auslegung des Erbvertrags angenommen, daß damit die Anordnung der Nacherbfolge insgesamt weggefallen und der zum Vorerben Berufene endgültiger Erbe geworden sei.
Die weiteren Beschwerden führten zur Vorlage der Sache an den BGH.
Entscheidungsgründe
Der Senat hält die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 jeweils für zulässig, aber im Ergebnis für unbegründet.
Er sieht sich jedoch an einer Bestätigung des Landgerichts durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 3.9.1996 (BayObLGZ 96, 204 = FamRZ 97, 705 m. ablehnender Besprechung Göbel S. 656), der dem Landgericht offenbar unbekannt geblieben ist, gehindert. Deshalb legt der Senat die Sache dem Bundesgerichtshof gem. § 28 Abs. 2 FGG zur Entscheidung vor.
1) Für die Auffassung des Senats sind folgende Gründe maßgebend:
a) Gegen die Zulässigkeit der Erstbeschwerden bestehen keine Bedenken. Die Schiedsgerichtsklausel des Erbvertrags steht jedenfalls in verfahrensrechtlicher Hinsicht dem vorliegenden Erbscheinsverfahren nicht entgegen, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat.
b) Die Feststellung des Landgerichts, die Einsetzung des zweiten Sohnes … als (erstem) Rechtsnachfolger des Erblassers sei wirksam und gesetzliche Erbfolge sei nicht eingetreten, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Auch wenn sich die Parteien des Erbvertrags … bei dessen Abschluß von der Vorstellung haben leiten lassen, der älteste Sohn des Erblassers … scheide trotz seiner Erstgeburt deshalb als alleiniger Rechtsnachfolger … aus, weil er … eine „nicht ebenbürtige” Frau geheiratet und deshalb gegen die Grundsätze der … Hausverfassung verstoßen habe, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Einsetzung des Zweitältesten Sohnes …
Wenn der Erblasser eine bestimmte lebende Person zu seinem Erben einsetzt, ist dies grundsätzlich durch die – verfassungsrechtlich geschützte (BVerfGE 58, 377, 398; 67, 329, 340: BGHZ 111, 36, 39; 123, 369, 371; Staudinger/Otte, 13. Bearb. 1994, Einl zu §§ 1922 ff Rn. 63 ff; Palandt/Edenhofer, 56. Aufl. 1997, Rn. 2 vor § 1922) – Testierfreiheit gedeckt; die Motive einer solchen Einsetzung entziehen sich in aller Regel einer Kontrolle am Maßstab des Grundgesetzes oder der Sittenordnung. Inwieweit Ausnahmen von diesem Grundsatz anzuerkennen sind (vgl. die problematische Fallgruppe der sog. Geliebtentestamente – BGHZ 20, 71; 52, 17; 53, 369 – oder neuerdings der sog. Behindertentestamente – zB BGHZ 111, 36; 123, 368), bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kern der Testierfreiheit wäre beeinträchtigt, wenn ein Vater einen seiner Söhne nicht mehr von der Erbfolge ausschließen könnte, weil ihm dessen Lebenspartnerin nicht gefällt, selbst wenn dabei überholte standesrechtliche oder andere mißbilligenswerte Motive mitspielen sollten; es ist anerkannt, daß der Erblasser willkürlich verfugen kann und ihn grundsätzlich keine Pflicht trifft, gleichnahe Angehörige gleichmäßig zu bedenken (vgl. Staudinger/Otte, 13. Bearb. 1995, Rn. 141 ff, 154 ff vor §§ 2064 ff BGB m.w.Nw).
c) …
d) Im Ergebnis zu Recht hat sich das Landgericht auf den Rechtsstandpunkt gestellt, daß sich der Beteiligte zu 1 nicht mit Erfolg auf die Wirksamkeit der Erbunrähigkeitssklausel berufen kann, weil sie gegen die „guten Sitten” im Sinne der „Grundsätze der herrschenden Rechts- und Sozialmoral” (vgl. BGHZ 80, 153, 158; Palandt/Heinrichs, Rn. 2; MünchKomm/Mayer-Maly, 3. Aufl. 1993, Rn. 13; Staudinger/Sack, 13. Bearb. 1996, Rn. 18, je zu § 138 BGB) verstößt.
aa) Zwar hat der Senat Bedenken dagegen, die Sittenwidrigkeit aus § 138 BGB herzuleiten, wie es das Landgericht getan hat Denn nach herrschender Ansicht in der Rechtsprechung verlangt die in § 138 BGB normierte Sittenwidrigkeit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung und insbesondere eines Vertrages eine „mißbilligenswerte Gesinnung”, die nach den Vorstellungen zu beurteilen ist, die zur Zeit des Vertragsschlusses bzw. der Erklärungsabgabe maßgebend waren (vgl. zB BGHZ 107, 9...