Leitsatz (amtlich)
Der Tatrichter darf seiner Entscheidung, von der regelhaften Anordnung eines Fahrverbotes abzusehen, nicht jede Kündigungsandrohung des Arbeitgebers zugrunde legen, ohne zu prüfen, ob diese überhaupt rechtlichen Bestand haben kann.
Verfahrensgang
AG Speyer (Entscheidung vom 08.10.2019; Aktenzeichen 8j OWi 5487 Js 17348/19) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 8. Oktober 2019 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die selbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 19. November 2018 (Az.: 500.06017777.8) mit Urteil vom 8. Oktober 2019 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h mit einer Geldbuße von 1.320,-- EUR belegt; von der Anordnung eines Regelfahrverbots hat es hingegen abgesehen. Die hiergegen gerichtete, auf die Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in diesem Umfang. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht das Absehen vom Regelfahrverbot nicht tragfähig begründet hat.
I.
Da sich die Rechtsbeschwerde in ihrer Begründung allein gegen die unterbliebene Verhängung des Fahrverbotes wendet, ist - auch aufgrund der Begründungspflicht der Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 2 Halbs. 2, Nr. 293 Abs. 1 Satz 1 RiStBV - grundsätzlich davon auszugehen, dass das Urteil nur insoweit als angefochten gelten soll (OLG Koblenz, Beschluss vom 24.07.2018 - 1 OWi 6 SsBs 67/18, juris Rn. 15). Die Anfechtung erfasst allerdings aufgrund der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Höhe der Geldbuße (OLG Bamberg, Beschluss vom 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17, juris Rn. 8) den Rechtsfolgenausspruch insgesamt.
II.
1.
Das Amtsgericht hat erkannt, dass der BKat in Ziff. 11.3.9 bei der hier gegebenen Überschreitung um 61 km/h regelmäßig ein Fahrverbot für zwei Monate vorsieht. Die Entscheidung, gleichwohl unter Erhöhung der Regelgeldbuße von dessen Anordnung abzusehen, hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Der Betroffene wohnt in Heilbronn und arbeitet im 2- bzw. 3-Schicht-Betrieb in Lehrensteinsfeld als Gruppenführer. Die Frühschicht beginnt um 05:30 Uhr, die Spätschicht endet um 22:00 Uhr. Zu diesen Zeiten ist es dem Betroffenen nicht möglich, die Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, wie sich aus dem vorgelegten Auszug aus dem Bus- und S-Bahn-Plan ergibt. Da er auch nicht zwei Monate Urlaub nehmen kann, hat ihm sein Arbeitgeber - wie sich aus der vorgelegten Bescheinigung ergibt - angedroht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, da er ihn anderweitig - etwa im Tagdienst - nicht einsetzen kann.
Für den Betroffenen wäre das Fahrverbot deshalb mit dem zumindest zeitweisen Verlust der wirtschaftlichen Existenz verbunden. Das Gericht hat wegen der Voreintragung im Fahreignungsregister von der Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV Gebrauch gemacht und die Geldbuße auf 1.320 Euro verdreifacht, und zugleich von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen."
2.
Mit diesen Ausführungen hat das Amtsgericht die Voraussetzungen für ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot nicht hinreichend belegt.
a) Zwar ist anerkannt, dass die Verhängung eines Fahrverbots unter Anwendung der Regelbeispielstechnik des Bußgeldkataloges nach Maßgabe von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG dann unangemessen sein kann, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist, insbesondere wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder seiner sonstigen wirtschaftlichen Existenz droht und dies nicht durch zumutbare Vorkehrungen vermieden werden. Ebenso ist anerkannt, dass das dem Tatgericht insoweit eingeräumte Ermessen vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob es deshalb fehlerhaft ausgeübt worden ist, weil es die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt oder die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. Dem tatrichterlichen Ermessensspielraum sind indes der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen. Dabei ist nach der Einführung des § 25 Abs. 2a StVG mit der Möglichkeit, den Beginn der Wirksamkeit des Verbotes innerhalb von vier Monaten selbst zu bestimmen, ein noch strengerer Maßstab anzulegen. Der Tatrichter ist gehalten, die Einlassung eines Betroffenen, mit der er eine unverhältnismäßige Härte g...