Leitsatz (amtlich)

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne entspr. Antrag ist wirksam und kann wegen des durch sie begründeten Vertrauens der Partei in den Fortbestand der für sie günstigen Entscheidung von Amts wegen im Rahmen einer Abhilfe nur unter den Voraussetzungen der §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO aufgehoben werden.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5d F 37/00)

 

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Beschwerde der Staatskasse wird verworfen.

 

Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das FamG auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim LG Frankenthal (Pfalz) vom 3.5.2002, seinen Beschluss vom 15.5.2001, mit welchem der Antragsgegnerin rückwirkend ab Antragstellung für die Ehesache, die Folgesache Versorgungsausgleich und den am 24.4.2001 protokollierten Vergleich Prozesskostenhilfe mit gleichzeitiger Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, bewilligt worden ist, im Rahmen der Abhilfe gem. § 571 ZPO a.F. (i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO) aufgehoben, weil die Antragsgegnerin im (rechtskräftig abgeschlossenen) Ehescheidungsverfahren einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt habe.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der Abhilfeentscheidung und Wiederherstellung des ursprünglichen Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses.

Der Gegner des ursprünglichen Beschwerdeverfahrens hat, soweit er durch die Abhilfeentscheidung beschwert wird, hiergegen ein eigenes Beschwerderecht, wenn und soweit ihm ein solches gegen die Entscheidung zustünde, sofern sie als Erstentscheidung ergangen wäre (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 60. Aufl., § 574 ZPO Rz. 5; Musielak/Ball, 3. Aufl., § 572 ZPO Rz. 5). Gegen eine die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigernde (Erst-)Entscheidung ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F. die sofortige Beschwerde statthaft; als solche ist die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Abhilfeentscheidung auszulegen. Sie ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insb. form- und fristgerecht eingelegt und führt in der Sache zur Aufhebung der Abhilfeentscheidung des FamG. Der Senat entscheidet hierüber gem. § 568 S. 2 ZPO in seiner Gesamtheit.

Das FamG war nicht befugt, seinen Beschluss vom 15.5.2001, mit dem es der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Z. und gleichzeitiger Anordnung von Ratenzahlungen für die Ehesache, den Versorgungsausgleich und den am 24.4.2001 gerichtlich protokollierten Vergleich bewilligt hat, aufzuheben und der Antragsgegnerin die Prozesskostenhilfe rückwirkend zu entziehen.

Zwar hätte der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden dürfen, da diese einen – für die Bewilligung zwingend erforderlichen – Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren zu keinem Zeitpunkt gestellt hat. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung ihrer Beschwerde meint, aus dem Bewilligungsbeschluss sei zu folgern, dass ein entspr. Antrag im Verhandlungstermin gestellt worden sein müsse, ohne dass dies im Protokoll seinen Niederschlag gefunden habe, weil dort nicht einfach nur Prozesskostenhilfe, sondern Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt worden sei, vermag der Senat dem nicht beizupflichten. Das FamG hat zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe ein von ihm für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allgemein gefertigtes Formular verwandt, in dem die Formulierung „rückwirkend ab Antragstellung” bereits vorgegeben war; auf eine tatsächlich erfolgte Antragstellung kann daraus daher nicht geschlossen werden.

Gleichwohl ist die – zu Unrecht – bewilligte Prozesskostenhilfe wirksam. Es handelt sich hierbei nach Ansicht des Senates nicht um eine nichtige, wirkungslose Scheinentscheidung. Als wirkungslos sind Entscheidungen nur dann anzusehen, wenn in ihnen eine der Rechtsordnung unbekannte oder gesetzlich unzulässige Rechtsfolge ausgesprochen wird oder wenn die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen keine Wirkungen entfalten kann (vgl. Zöller/Vollkommer, 22. Aufl., Vorbemerkung zu § 300 ZPO Rz. 13–19 m.w.N.). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist dagegen eine nach Form und Inhalt grundsätzlich gesetzmäßige Entscheidung, die auch faktisch Wirkung entfaltet. Sie ist daher, wenn ihr keine entspr. Antragstellung zugrunde liegt, zwar fehlerhaft, jedoch nicht wirkungslos (so auch OLG Oldenburg v. 26.10.1988 – 5 WF 118/88, MDR 1989, 268 = FamRZ 1989, 300 f.; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 231; a.A.: Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 80; OLG München – allerdings für einen anders gelagerten Fall –, JurBüro 1984, 1851; Schneider, MDR 1985, 441).

Die Aufhebung einmal bewilligter Prozesskostenhilfe im Rahmen einer Nichtabhilfeentscheidung ist daher wegen des durch die Prozesskostenhilfebewilligung begründeten Vertrauens einer Partei in den Fortbestand dieser für sie günstigen Prozesskostenhilfeentscheidung, d...

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