Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 08.09.2010; Aktenzeichen 6114 Js 9265/10 4 KLs) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Angeschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 8. September 2010 geändert.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 25.Juni 2010 (2a Gs 777/10) wird nach Maßgabe folgender Anordnungen außer Vollzug gesetzt:
a) Der von Y... am 4. Oktober 2010 bei der Hinterlegungsstelle des AG Kaiserslautern Az. HL 91/10 einbezahlte Betrag von 5.000 € dient als Sicherheitsleistung gemäß § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 StPO.
b) Der Anschuldigte wird angewiesen, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Genehmigung des nach § 126 StPO zuständigen Gerichts zu verlassen, nach seiner Entlassung unverzüglich seinen Reisepass zur Akte zu reichen, sich einmal wöchentlich bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeirevier, derzeit Polizeirevier ..., nach näherer zeitlicher Festlegung durch diese Dienststelle zu melden, allen Ladungen des Gerichts und/oder der Staatsanwaltschaft in vorliegender Sache pünktlich Folge zu leisten.
2. Die weitergehende Beschwerde des Angeschuldigten wird als unbegründet verworfen.
3. Die Justizvollzugsanstalt R... wird gebeten, den Angeschuldigten vor der Entlassung zu belehren über die Folgen eines Verstoßes gegen die ihm erteilten Weisungen und über die Möglichkeiten, den Vollzug des Haftbefehls wiederum anzuordnen (§ 116 Abs. 4 StPO).
4. Der Angeschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr für das Beschwerdeverfahren um die Hälfte ermäßigt. Von den gerichtlichen Auslagen in dem Beschwerdeverfahren und den darin entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten hat die Landeskasse und der Angeschuldigte je die Hälfte zu tragen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Angeschuldigten hat einen erheblichen Teilerfolg.
Der Senat teilt die Auffassung des Ermittlungsrichters und der Strafkammer hinsichtlich des dringenden Tatverdachts, der sich aus den im Haftbefehl und der Nichtabhilfeentscheidung der Kammer vom 23. September 2010 im Einzelnen angeführten Gründen ergibt.
Der Senat erachtet in diesem Zusammenhang - wie die Strafkammer dies auch in der Person des Mitangeschuldigten Z... angenommen hat - anstelle des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO den Haftgrund der Fluchtgefahr als gegeben. Der Senat geht davon aus, dass angesichts der weitgehenden sozialen Bindungslosigkeit des ledigen und beruflich nicht in ein festes Anstellungsverhältnis eingebundenen Angeschuldigten die Gefahr besteht, er könne sich dem weiteren Strafverfahren entziehen (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Weiterhin erscheint auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 S. 2 StPO) gewahrt. Auch wenn der Angeschuldigte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, hat er im Hinblick auf die ihm vorliegend zur Last gelegten Taten eine nicht unerhebliche Freiheitsstrafe zu erwarten. Angesichts des Gepräges der vorliegenden Betäubungsmittelstraftaten gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung eine nachdrückliche Verfolgung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 112 Rn. 11). Insoweit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
Allerdings geht der Senat davon aus, dass die Voraussetzungen für die Außervollzugsetzung des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO gegeben sind. Es kann erwartet werden, dass die vom Angeschuldigten angebotene und bereits erbrachte Sicherheitsleistung zur Gewährleistung des weiteren Verfahrens geeignet und ausreichend ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die festgelegte Kaution von 5.000,- Euro, die von Y..., dem Neffen des Angeschuldigten, geleistet wurde. Wird aber die Kaution ganz oder teilweise von Familienangehörigen aufgebracht, stellt dies ein zusätzlich stabilisierendes Moment dar, das den in der hohen Straferwartung liegenden Fluchtanreiz mildert (vgl. OLG Hamm, StraFo 2002, 338-339).
Der Senat hat nach alledem den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 Abs.1 StPO ausgesetzt.
Der Angeschuldigte wird hiermit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Falle eines erheblichen Verstoßes gegen die ihm erteilten Auflagen und Weisungen, insbesondere bei einer Flucht, mit der Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls zu rechnen haben wird.
Der Senat merkt abschließend ergänzend an, dass sich aus dem bisherigen Akteninhalt zwar keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des zusätzlichen Haftgrundes der Verdunklungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO ergeben. Sollte das Verhalten des Angeschuldigten nach seiner Haftentlassung allerdings Anlass zu der Befürchtung geben, dass er die Wahrheitsermittlung erschwert, indem er insbesondere etwa den Versuch unternimmt, auf Mittäter oder potentielle Zeugen einzuwirken, wird dies umgehend zu einer erneuten Überprüfung der Haftverschonungsentscheidung führen.
Über die Kosten im Beschwerdeverfahren war nach § 473 Abs. 4 StPO zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 2672214 |
StV 2011, 164 |