Leitsatz (amtlich)

Zur Deckung der Kosten des Scheidungsverfahrens kann von einer bedürftigen Partei auch verlangt werden, ein noch selbstgenutztes Anwesen einzusetzen, wenn sicher abzusehen ist, dass es in absehbarer Zeit zu dessen Veräußerung kommen wird. Bis dahin kann der Partei die Zahlungsverpflichtung gestundet werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Bad Dürkheim (Aktenzeichen 1 F 185/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird die im zweiten Absatz des Beschlusses des AG – FamG – Bad Dürkheim vom 25.10.2002 enthaltene Anordnung aufgehoben; die der Antragsgegnerin mit vorgenanntem Beschluss bewilligte Prozesskostenhilfe gilt uneingeschränkt.

 

Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das FamG der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren und die Folgesache Versorgungsausgleich bewilligt, zugleich jedoch angeordnet, dass die Antragsgegnerin die Prozesskosten aus ihrem Vermögen, dem Erlös aus dem Miteigentumsanteil am derzeit allein von ihr bewohnten gemeinsamen Hausanwesen der Parteien, dessen Veräußerung nach dem unmittelbar bevorstehenden Abschluss des Scheidungsverfahrens zu erwarten sei, aufzubringen habe. Eine Veräußerung werde voraussichtlich bis zum 30.6.2003 erfolgt sein; bis dahin werde die Zahlungsverpflichtung gestundet.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, über die der Senat gem. § 568 S. 2 ZPO n.F. in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, wendet sich die Antragsgegnerin gegen diese Anordnung.

Sie meint, eine solche einschränkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei von der gesetzlichen Vorschriften betreffend die Prozesskostenhilfe nicht gedeckt. Für die Prozesskosten einzusetzendes Vermögen, das noch nicht zur Verfügung stehe, sondern erst noch erlangt werden müsse, könne bei der Prozesskostenhilfebewilligung noch keine Berücksichtigung finden, sondern lediglich – spätere – Anordnungen im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO rechtfertigen.

Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Anordnung.

Zwar kann eine bedürftige Partei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin bereits bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe darauf verwiesen werden, noch nicht liquides, d.h. bereits vorhandenes, aber erst künftig frei verfügbares Vermögen zum Bestreiten der Prozesskosten einzusetzen. Der bedürftigen Partei ist eine Verwertung oder Beleihung des/der – derzeit nicht liquiden – Vermögenswerte innerhalb angemessener Frist – bis zu der ihr ggf. die Prozesskosten gestundet werden können – zuzumuten.

Nicht verlangt werden kann allerdings der Einsatz von geschützten Vermögenswerten, etwa die Verwertung oder Beleihung eines von der bedürftigen Partei allein oder zusammen mit ihrer Familie ganz oder teilweise bewohnten angemessenen Hausgrundstückes bzw. einer entspr. Eigentumswohnung (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG). Da das Hausgrundstück (bzw. die Eigentumswohnung) diesen sozialrechtlichen Schutz jedoch nicht als Vermögenswert, sondern als Familienheim genießt, entfällt er, wenn sein Zweck nicht oder nicht mehr erfüllt werden kann (Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 115 Rz. 88 m.w.N.). Daher fallen auch Mittel aus der Veräußerung oder Zwangsversteigerung eines Familienheimes nicht unter den Schutz des § 88 Abs. 2, Nr. 7 BSHG, sondern sind für die Prozesskosten einzusetzendes Vermögen.

Zur Deckung der Kosten des Scheidungsverfahrens kann von einer bedürftigen Partei auch ein (noch) selbstgenutztes Anwesen einzusetzen sein, wenn abzusehen ist, dass sie aus finanziellen Gründen zu einer Veräußerung des Hausgrundstückes gezwungen sein wird oder dass es im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu einer Veräußerung kommen wird (Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 115 Rz. 88; LG Koblenz v. 19.4.1995 – 14 T 122/94, MDR 1996, 744 = FamRZ 1996, 874; OLG Bamberg JurBüro 1984, 1580; a.A. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 347; OLG Schleswig v. 8.8.1986 – 13 WF 88/86, AnwBl. 1987, 54).

Allerdings muss in diesen Fällen die (künftige) Veräußerung schon hinreichend sicher sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn – wie in dem der vorgenannten Entscheidung des OLG Bamberg zugrunde liegenden Fall – beide Ehegatten die Veräußerung des Anwesens beabsichtigen, diese aber bislang an den Preisvorstellungen der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei gescheitert ist oder wenn – wie in dem der Entscheidung des LG Koblenz zugrunde liegenden Fall – die Teilungsversteigerung hinsichtlich des Grundstückes bereits eingeleitet worden ist und die hilfebedürftige Partei nicht in der Lage ist, ihren Ehemann bezüglich seines Miteigentumsanteils auszuzahlen.

Besteht dagegen noch die (auch entfernte) Möglichkeit, dass die das Anwesen noch bewohnende bedürftige Partei das Hausgrundstück halten können wird, indem sie es zu Alleineigentum übernimmt und den anderen Ehegatten – etwa mit finanzieller Unterstützung von Verwandten – auszahlt, so genießt sie weiterhi...

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