Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorschlag des Betreuten, eine bestimmte andere Person zum Betreuer zu bestellen, begründet – unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit – gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB einen Vorrang des Vorgeschlagenen vor allen anderen in Betracht kommenden Personen.
2. Geht ein Schriftsatz zu einem Zeitpunkt ein, der nach dem Datum liegt, den der im schriftlichen Verfahren erlassene gerichtliche Beschluss ausweist, muss das Gericht kenntlich machen, ob es diesen Schriftsatz entgegengenommen und zur Kenntnis erhalten hat (Anschluss an BayVerfGHE BY 31, 235).
3. Unterbleibt die erforderliche Kenntlichmachung und kann daher nicht geklärt werden, ob der Schriftsatz vor der Hinausgabe des Beschlusses bei Gericht eingegangen ist, ist von einem rechtzeitigen Eingang auszugehen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; BGB § 1897 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 5 T 127/01) |
AG Trier (Aktenzeichen 3 XVII 85/96) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das LG Trier zurückverwiesen.
2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 26.10.2001 hatte das LG die Beschwerde der Betroffenen gegen die Verlängerung der Betreuung zurückgewiesen. Auf die weitere Beschwerde der Betroffenen, mit der sie lediglich die Auswahl des (bisherigen) Betreuers beanstandet hatte, hatte der Senat die Entscheidung des LG (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.12.2001 – 3 W 276/01) – aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Mit Beschluss vom 14.1.2002 hat es die Beschwerde der Betroffenen erneut zurückgewiesen. Die Entscheidung trägt das Datum vom 14.1.2002. Die Hinausgabe des Beschlusses zur Post zum Zweck der Bekanntmachung an den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen und dem weiteren Beteiligten zu 1) erfolgte am 15.1.2002. Mit an das LG Trier gerichtetem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.1.2002, eingegangen bei der gemeinsamen Briefannahmestelle des LG und des AG am 15.1.2002, hat die Betroffene eine namentlich benannte andere Person als Betreuer vorgeschlagen. Mit ihrer gegen den landgerichtlichen Beschluss eingelegten weiteren Beschwerde wendet sich die Betroffene wiederum gegen die Auswahl des bisherigen Betreuers.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist gem. § 27 Abs. 1 FGG statthaft und auch i.Ü. verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2, 29 Abs. 1 und 4, 69g Abs. 1, 69i Abs. 6 S. 1 FGG). Die Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung ist erneut nicht Gegenstand der weiteren Beschwerde. Die Ausführungen des LG auf S. 3 des angefochtenen Beschlusses geben dem Senat allerdings Veranlassung, den Hinweis in seinem Beschluss vom 20.12.2001 zu wiederholen, wonach die weitere Beschwerde lediglich das Ziel verfolgt, dass eine andere Person zum Betreuer bestellt wird. Insoweit handelt es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Verlängerung der Betreuung und die (erneute) Auswahl des Betreuers umfassenden Einheitsentscheidung des LG nach §§ 69 Abs. 1, 69i Abs. 6 S. 1 FGG (BGH v. 6.3.1996 – XII ZB 7/96, MDR 1996, 714 = FamRZ 1996, 607; OLG Zweibrücken FGPrax 1999, 146; Beschl. v. 28.9.1999 – 3 W 211/99; Beschl. v. 27.3.2001 – 3 W 35/01; KG Berlin v. 26.1.1995 – 1 W 7060/94, KGReport Berlin 1995, 69 = FamRZ 1995, 1442; OLG Hamm v. 30.5.1996 – 15 W 122/96, NJW-RR 1997, 70 [71]; Keidel/Kayser, FG, 14. Aufl., § 69g Rz. 9 jeweils m.w.N.). Der Umstand, dass die Betroffene in ihrer mündlichen Anhörung durch den Berichterstatter der Kammer als beauftragten Richter den Gegenstand der Erstbeschwerde auf die Verlängerung der Betreuung an sich ausgedehnt hat (s. Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 21 Rz. 7b m.w.N.), ist für den Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde unerheblich (vgl. auch OLG Zweibrücken v. 3.3.1997 – 3 W 9/97, OLGReport Zweibrücken 1997, 127 [128]).
2. In der Sache führt das Rechtsmittel erneut zu einem vorläufigen Erfolg. Der Beschluss, mit dem das LG die Beschwerde zurückgewiesen hat, beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Denn das Beschwerdegericht hat unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) die Erstbeschwerde zurückgewiesen, ohne – wie es hier geboten gewesen wäre – den Vorschlag der Betreuten zu berücksichtigen, Herrn J.J. zum Betreuer zu bestellen. Für die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt es nicht auf das Datum an, das die Beschwerdeentscheidung trägt, sondern allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluss aus seiner Verfügungsgewalt entlassen hat. Ergeht eine Entscheidung – wie hier – schriftlich, so ist sie nämlich nicht schon mit der Beschlussfassung, der Unterzeichnung oder der Übergabe an die Geschäftsstelle, sondern erst dann erlassen, wenn sie zur Zustellung an den Empfänger zur Post gegeben wird (...