Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wahrung der materiellen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG ist grundsätzlich § 270 Abs. 3 ZPO a.F./§ 167 ZPO n.F. entspr. anwendbar.
2. Zu den Voraussetzungen der Verwirkung des Beschlussanfechtungsrechts, wenn der Wohnungseigentümer seinen Antrag zwar fristgerecht bei Gericht einreicht, dann aber trotz Anforderung des Gerichts über einen längeren Zeitraum nicht begründet.
Normenkette
WEG § 23 Abs. 4 S. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 4; ZPO § 167 n.F., § 270 Abs. 3 a.F.; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 05.10.2001; Aktenzeichen 8 T 367/01) |
AG Mainz (Aktenzeichen 73 UR II 80/00 WEG) |
Tenor
Die vorbezeichnete Entscheidung des LG sowie der zugrunde liegende Beschluss des AG Mainz vom 5.10.2001 werden aufgehoben.
Die Sache wird an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens.
II. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 18.041,96 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer der im Beschlusseingang genannten Wohnanlage. In ihrer Versammlung vom 17.6.2000 fassten die Wohnungseigentümer u.a. Beschlüsse betreffend die Jahresabrechnung für 1999. Der Antragsteller hat sich am 17.7.2000 an das AG gewandt und beantragt, die entsprechenden Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Diesen Antrag hat er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.7.2001 begründet. Das AG hat mit Beschluss vom 5.10.2001 den Antrag abgewiesen, weil der Antragsteller infolge seines Zurückhaltens mit der Antragsbegründung während nahezu eines Jahres sein Recht zur Beschlussanfechtung entspr. § 242 BGB verwirkt habe. Die Zivilkammer hat am 24.3.2003 die sofortige Beschwerde des Antragstellers mit der gleichen Begründung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, 29, Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG).
In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg, da die Entscheidungen der Instanzgerichte auf einer Verletzung des Rechts beruhen (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Erwägungen der Tatrichter zur Verwirkung des Anfechtungsrechtes durch den Antragsteller halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zunächst genügt der Beschlussanfechtungsantrag des Antragstellers vom 17.7.2000 den Mindestanforderungen, die an die Bestimmtheit eines zulässigen Anfechtungsbegehrens nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zu stellen sind (vgl. hierzu OLG Zweibrücken v. 5.7.1994 – 3 W 85/94, NJW-RR 1995, 397 f.; von Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518 [520 f.]); denn der Antrag bezeichnet konkret (nach Nummern der Tagesordnung und Inhalt) diejenigen Beschlüsse, die angefochten werden sollen.
2. Im Weiteren ist die Beschlussanfechtung von dem Antragsteller auch rechtzeitig geltend gemacht worden. Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG ist keine Verfahrensvoraussetzung, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Sie wird mit der fristwahrenden Einreichung des Antrags bei Gericht gewahrt, sofern dieser hinreichend bestimmt ist und die Zustellung „demnächst” (i.S.v. § 167 ZPO, früher § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) erfolgt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.7.2002 – 3 W 131/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 455 = ZMR 2003, 451 [452]; OLG Köln ZMR 2001, 661, jew. im Anschluss an BGH v. 17.9.1998 – V ZB 14/98, MDR 1999, 28, NJW 1998, 3648; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rz. 174).
Im vorliegenden Fall ist von „demnächstige” Zustellung des bei Gericht fristgerecht am 17.7.2000 unter gleichzeitiger Einzahlung von Kostenvorschuss eingereichten Anfechtungsantrages auszugehen, obwohl dieser Antrag den Beteiligten zu 2) durch das AG erst am 24.7.2001 zugestellt worden ist. Denn der Umstand, dass der Anfechtungsantrag nicht – wie rechtlich geboten (OLG Köln ZMR 2001, 661 f.) – alsbald zugestellt wurde, hatte seine Ursache ausschließlich im Geschäftsgang des AG. Im Falle des bis zum 1.7.2002 geltenden § 270 Abs. 3 ZPO a.F. (jetzt § 167 ZPO) wird jedoch der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts zurückzuführende Zeitraum nicht auf den Zeitraum angerechnet, der im Zusammenhang mit der Frage maßgeblich ist, ob die Zustellung noch „demnächst” erfolgt ist (BGH v. 20.4.2000 – VII ZR 116/99, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2282; v. 16.12.1987 – VIII ZR 4/87, BGHZ 103, 20 [28 f.]; OLG Köln ZMR 2001, 661 [662]; OLG Zweibrücken ZMR 2003, 451 [452]).
Die Zustellung des Antrages erst im Juli 2001 hat deshalb die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gewahrt.
3. Ein Sachverhalt, bei dem das Anfechtungsrecht des Antragstellers ausnahmsweise wegen Nichtbetreibens des Anfechtungsverfahrens über einen längeren Zeitraum als verwirkt anzusehen wäre, ist vorliegend nicht gegeben.
In der obergerichtlichen Rspr. sind Anfechtungsanträge mit dieser Begründung bz...