Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Eintritt eines Eigentümers in rechtshängiges Verfahren nach Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist

 

Verfahrensgang

AG Lahnstein (Aktenzeichen 1 UR II 55/88 WEG)

LG Koblenz (Aktenzeichen 4 T 489/88)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 5) hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschließlich der Beteiligten zu 2) – 4) in diesem Verfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 6 000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Am 29. August 1988 hat das Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 1) mehrere in der Wohnungseigentümerversammlung vom 5. Februar 1988 gefaßte Beschlüsse für ungültig erklärt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 2) bis 4) Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1) seine Anträge zurückgenommen. Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben dem zugestimmt. Auf deren Antrag hat das Landgericht daraufhin festgestellt, daß die Entscheidung des Amtsgerichts wirkungslos ist. Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 5) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung weist er darauf hin, daß er mit der Antragsrücknahme durch den Beteiligten zu 1) nicht einverstanden gewesen sei und daß er die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse unter dem 8. November 1988 mittlerweile ebenfalls angefochten habe. Das Landgericht habe deshalb jedenfalls nicht mit Wirkung gegenüber ihm feststellen können, daß der Beschluß des Amtsgerichts vom 29. August 1988 wirkungslos sei.

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft. Der angefochtene Beschluß steht im Ergebnis einer sachlichen Endentscheidung über die Beschwerde gleich. Er ist deshalb gemäß § 27 FGG mit der weiteren Beschwerde anfechtbar und nicht etwa mit einer sogenannten Erstbeschwerde (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 12. Aufl., § 27 Rdnr. 1).

Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG) und auch im übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Auch wenn der Beteiligte zu 5) im erstinstanzlichen Verfahren keinen eigenen Antrag gestellt hat, ist er zur Einlegung der weiteren Beschwerde befugt. Denn da die Entscheidung über die Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG für alle Beteiligten bindend ist, ist er durch die Feststellung, daß der erstinstanzliche Beschluß durch Antragsrücknahme wirkungslos geworden ist, in seiner Rechtsstellung als Wohnungseigentümer beeinträchtigt.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Nach § 43 Abs. 1 WEG ist in Wohnungseigentumssachen für die Einleitung eines Verfahrens stets ein Antrag erforderlich. Es gilt mithin die Dispositionsmaxime. Der Antragsteller bestimmt Verfahrensgegenstand, Verfahrensbeginn und das Verfahrensende. Gleichermaßen wie im Zivilprozeß ist er insoweit „Herr” des Verfahrens. Dementsprechend ist allgemein anerkannt, daß es dem Antragsteller gestattet ist, das von ihm in Gang gesetzte Verfahren durch Antragsrücknahme zu beenden (vgl. Weitnauer, WEG, 7. Aufl., Anh. § 43 Rdnr. 6). Macht ein Antragsteller von diesem Recht Gebrauch, so wird dem Verfahren die Grundlage entzogen. Ein bereits ergangener, noch nicht rechtskräftiger Beschluß wird entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos.

Daß der Beteiligte zu 5) mit der Antragsrücknahme durch den Beteiligten zu 1) nicht einverstanden war und dies auch dem Landgericht mitgeteilt hat, steht dem nicht entgegen. Denn eine wirksame Antragsrücknahme setzt allenfalls die – hier vorliegende – Zustimmung der Antragsgegner, also der Beteiligten zu 2) bis 4), voraus (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 6. Aufl., § 43 Rdnr. 56). Als Wohnungseigentümer war der Beteiligte zu 5) zwar an dem von dem Beteiligten zu 1) eingeleiteten Verfahren zu beteiligen (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG); auch wird er von dessen Ausgang in seiner Rechtsstellung als Wohnungseigentümer materiell betroffen. Hieraus folgt jedoch nicht die Befugnis, ein Verfahren gegen den Willen desjenigen Wohnungseigentümers, der den einleitenden Antrag gestellt hat, fortzuführen. Dazu wäre der Beteiligte zu 5) nur dann in der Lage, wenn er selbst einen eigenen fristgerechten Antrag gestellt hätte. Nur dann wäre er dagegen geschützt, daß der Beteiligte zu 1) durch seine Antragsrücknahme dem Verfahren die notwendige Grundlage entzieht (vgl. BayObLGZ 1977, 226, 229; Bärmann/Pick, aaO, § 23 Rdnr. 29).

Der Beteiligte zu 5) hat die fraglichen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft mittlerweile allerdings selbst angefochten und hinsichtlich der Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Da das vorliegende Verfahren zu dem Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beteiligten zu 5...

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