Leitsatz (amtlich)
Auch § 18 Abs. 1 FamFG gebietet dem Gericht, sein Ermessen zu prüfen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände vom Halbteilungsgrundsatz abzuweichen (im Anschluss an BGH FamRZ 2012, 192 ff.).
Normenkette
FamFG § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Germersheim (Beschluss vom 16.10.2012; Aktenzeichen 2 F 194/11) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird in seiner Ziff. 2. geändert:
a) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz in ... (Versicherungsnummer ... S 522) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. 0,0430 Entgeltpunkten auf das Konto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz in ... (Versicherungsnummer ... S 018), bezogen auf den 30.4.2011, übertragen.
b) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz in ... (Versicherungsnummer ... S 018) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht i.H.v. 0,4785 Entgeltpunkten auf das Konto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz in ... (Versicherungsnummer ... S 522), bezogen auf den 30.4.2011, übertragen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den beteiligten Eheleuten gegeneinander aufgehoben.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen,
IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die beteiligten Eheleute streiten um den Versorgungsausgleich.
Während der vom 1.3.2009 bis zum 30.4.2011 dauernden Ehezeit haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Die ehezeitlichen Anwartschaften der Ehefrau belaufen sich auf 0,0860 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 0,0430 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 259 EUR. Die ehezeitlich erworbenen Anwartschaften des Ehemannes belaufen sich auf 0,9569 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 0,4785 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.882,16 EUR. Die Ehefrau hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt. Das Familiengericht hat, gestützt auf § 18 Abs. 2 VersAusglG, vom Ausgleich beider Anrechte wegen Geringfügigkeit abgesehen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, das Familiengericht habe das ihm obliegende Ermessen nicht ausgeübt.
Die zulässige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg. Der Versorgungsausgleich ist durchzuführen.
1. Da die Ehefrau die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt, hat dieser trotz der kurzen Ehezeit (weniger als drei Jahre, § 3 Abs. 3 VersAusglG) stattzufinden.
2. Da beide Ehegatten nur Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, richtet sich der Maßstab für die Beurteilung der Geringfügigkeit allein nach § 18 Abs. 1 VersAusglG (BGH FamRZ 2012, 192 ff.), der auch auf Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar ist (AG Sinsheim, Beschluss vom 15.3.2012, 21 F 105/11, zitiert nach juris). Insoweit ergibt sich rechnerisch, dass die Differenz der Kapitalwerte der beiderseitigen Versorgungen 2.623,16 EUR beträgt und damit den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.066 EUR nicht überschreitet.
Allerdings eröffnet § 18 Abs. 1 VersAusglG - ebenso wie Abs. 2 dieser Vorschrift (Gräper in MüKom, § 18 VersAusglG, Rz. 1, 3 und 8 m. w. H.) - dem Gericht einen Ermessensspielraum, wegen der Geringfügigkeit auf den Ausgleich zu verzichten. In die gebotene Ermessensentscheidung ist einzubeziehen, dass dem Halbteilungsgrundsatz erhebliches Gewicht zukommt, er der grundlegende Maßstab der Entscheidung ist und dass eine Abweichung davon besonderer Rechtfertigung bedarf (BGH, a.a.O.). Insbesondere kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber mit der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG konkrete Ziele verfolgt. So soll vornehmlich ein hoher Verwaltungsaufwand für den Versorgungsträger vermieden werden, der durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters verursacht wird und der im Hinblick auf geringwertige Anrechte unverhältnismäßig wäre (BT-Drucks. 16/10144, 38, 60). Der Ausschluss von Bagatellanrechten zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung findet aber seine Grenze in einer unverhältnismäßigen Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes (BGH, a.a.O.).
Vorliegend würde die Anwendung der Bagatellklausel - dies zum Nachteil der Ehefrau - das Gebot der Halbteilung insgesamt ignorieren, also keinerlei Teilhabe der Ehefrau am ehezeitlichen Versorgungsgewinn herbeiführen. Andererseits ist der der gesetzlichen Rentenversicherung entstehende Verwaltungsaufwand für die interne Teilung, die gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG ohnehin nur durch eine Umbuchung in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung geschieht, überschaubar. Neben dem einmaligen Verwaltungsvorgang der Umbuchung entsteht kein weiterer erheblicher Verwaltungsaufwand. Ein Entlastungseffekt tritt also beim Versorgungsträger nicht oder nur in unwesentlichem Umfang ein. ...