Leitsatz (amtlich)
Kommt im Sorgerechtsverfahren eine Vereinbarung über ein "Wechselmodell" zustande, ist der Gegenstandswert um den Wert eines Umgangsverfahrens zu erhöhen.
Normenkette
FamGKG §§ 33, 45
Verfahrensgang
AG Kaiserslautern (Aktenzeichen 5 F 1130/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden wird der Beschluss vom 26. Januar 2021 abgeändert.
Der Verfahrenswert wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.
Die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes .... Nach ihrer Trennung im August 2020 praktizierten die Eltern zunächst ein Wechselmodell im Wochenrhythmus. Die Kindesmutter beantragte am 26. November 2020 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie allein mit der Begründung, es fehle an einer Kommunikationsfähigkeit der Eltern und an einem kindeswohlgerechten Verhalten des Kindesvaters. Das Wechselmodell sei nicht sachgerecht, da das Kind sie während der langen Abwesenheiten vermisse. Der Kindesvater hat dem Vorbringen widersprochen und Antragszurückweisung beantragt. In der Anhörung vom 26. Januar 2021 kam zwischen den Beteiligten eine Vereinbarung zustande, in der die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge und die Durchführung des wöchentlichen Wechselmodells ab 1. Februar 2021, die Anmeldung des Kindes im mütterlichen Haushalt und der Kindergeldbezug durch die Kindesmutter, der Kindergartenbesuch und die Teilnahme an Elterngesprächen geregelt wurden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Vereinbarung gebilligt und den Verfahrenswert nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG mit der Begründung auf 3.000,00 EUR festgesetzt, das bisher praktizierte Wechselmodell sei lediglich weiter fortgeschrieben und damit keine über den Verfahrenswert hinausgehende Regelung getroffen worden.
Mit ihrer jeweils in eigenem Namen eingelegten Beschwerde erstreben beide Verfahrensbevollmächtigte die Erhöhung des Verfahrenswertes auf insgesamt 7.000,00 EUR mit der Begründung, in der Vereinbarung sei zusätzlich eine Umgangsregelung getroffen worden. Nach §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG stelle dies einen gesonderten Verfahrensgegenstand dar, dessen Wert ab 1. Januar 2021 nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG n.F. mit 4.000,00 EUR festzusetzen sei.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei, §§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 59 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG.
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
Der Verfahrenswert ist gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 FamGKG auf 7.000,00 EUR festzusetzen.
Schließen die Beteiligten in einem Hauptsacheverfahren, dessen Gegenstand dem des Verfahrens entspricht, einen Vergleich, so ist kein Wert für den Vergleich festzusetzen (BeckOK-Neumann Kostenrecht 32. Edition § 45 FamGKG Rn. 63a i.F. soweit nicht anders gekennzeichnet zitiert nach beck-online). Anders liegt der Fall dann, wenn Gegenstand von Hauptsacheverfahren und Vergleich nicht identisch sind, z.B. wenn in einem Sorgerechtsverfahren ein gerichtlich gebilligter Vergleich über den Umgang geschlossen wird. Dann ist bei gerichtlicher Billigung des Umgangsvergleichs von der Einleitung eines originären amtswegigen Umgangsverfahrens auszugehen und dessen Verfahrenswert nach §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG gesondert zu bestimmen (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2020, 2280 Rn. 13, BGH NJW 2020, 687 Rn. 21, 30).
So liegt der Fall hier.
Gegenstand des Antrags war zwar zunächst nur die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teil der elterlichen Sorge.
Soweit die Vereinbarung zwischen den Beteiligten neben der Beibehaltung der gemeinsamen Sorge die Durchführung des paritätischen Wechselmodells umfasst, regelt sie aber nicht lediglich die elterliche Sorge nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG, sondern erfasst zusätzlich die Regelung des Umgangsrechts, §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
Insoweit ist entschieden, dass de lege lata Sorge- und Umgangsrecht eigenständige Verfahrensgegenstände sind und keine implizite Festlegung des Umgangsmodells schon im Rahmen der Sorgerechtsentscheidung erfolgt, weil dann bei fehlenden Abänderungsgründen der eine Elternteil gehindert wäre, überhaupt eine erstmalige vollstreckbare Umgangsregelung zu erwirken (BGH NZFam 2020, 116 Rn. 16). Dass Umgangsregelungen zu einer vorherigen Sorgerechtsregelung (v.A. bei geteilter Sorge) in Widerspruch treten können, wird ebenfalls in Rechnung gestellt und die Zusammenfassung von Sorge- und Umgangsverfahren in einem Verfahren als rechtspolitisch diskussionswürdig eingeordnet (BGH aaO Rn. 17 beck-online). Zudem wird höchstrichterlich davon ausgegangen, dass im Rahmen eines Umgangsverfahrens ein paritätisches Wechselmodell herbeigeführt werden kann und dort die gleichen Kindeswohlkriterien gelten wie im Sorgerechtsverfahren (BGH FamRZ 2017, 206 Rn. 20 juris; BGH NZFam 2020, 116 Rn. 20) und damit das Wechselmodell ausdrücklich (auch) als Umgangsmodell eingeordnet (BGH aaO Rn. 32). Ob und wie im Sorgerechtsverfahren die Anordnung des Wechselmodells erfolgen kann, ist zwar nicht expl...