Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Rechtsanwalts im Gewaltschutzverfahren
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen bewilligter Verfahrenskostenhilfe ist im Gewaltschutzverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich, wenn ein Beteiligter nicht in der Lage ist, die gebotenen Schritte für die Wahrnehmung seiner Rechte eigenständig zu unternehmen und sein Anliegen ausreichend schriftlich darzulegen.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 6; ZPO § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Beschluss vom 12.10.2009; Aktenzeichen 5a F 248/09) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert:
Der Antragstellerin wird der von ihr ausgewählte Rechtsanwalt S., L., beigeordnet.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (Nr. 1912 des KostVerz. zu § 3 Abs. 2 FamGKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG statthafte sofortige Beschwerde, über die der Senat gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 Satz 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 76 Abs. 2 FamRG i.V.m. § 569 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der vom Familiengericht vertretenen Auffassung ist der Antragstellerin der von ihr ausgewählte Rechtsanwalt zu ihrer Vertretung beizuordnen.
1. In Familiensachen des § 111 Nr. 6 FamFG (Gewaltschutzsachen) ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben.
Die Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwaltes im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat daher gem. § 78 Abs. 2 FamFG nur zu erfolgen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird auch in der Zivilprozessordnung an das Kriterium der Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt geknüpft (§ 121 Abs. 2 ZPO). Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können daher auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Beiordnung im Rahmen bewilligter Verfahrenskostenhilfe für Verfahren nach dem zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) herangezogen werden.
Bei der Frage der Erforderlichkeit einer Beiordnung ist zu beachten, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet (BVerfG FamRZ 2004, 1013).
Eine Beiordnung wird daher regelmäßig dann geboten sein, wenn auch eine bemittelte Partei vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (BVerfG FamRZ 2002, 531 und NJW-RR 2007, 1713).
Dabei sind nicht nur (objektiv) Umfang und Schwierigkeit der Sache, von Bedeutung. Vielmehr kommt es auch (subjektiv) darauf an, ob Parteien und Beteiligte nach ihrer Vorbildung, geistigen Befähigung, Schreib- und Redegewandtheit in der Lage sind, ihr Rechtsanliegen dem Gericht schriftlich oder mündlich ausreichend und ohne Gefahr einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung darzustellen (BVerfG, a.a.O.; BGH FamRZ 2003, 1547 und 1921).
Die Beiordnung darf nicht durch die pauschale Bezugnahme auf den Amtsermittlungsgrundsatz versagt werden (BVerfG, a.a.O.).
Als Vertreter des Verfahrensbeteiligten hat ein Rechtsanwalt andere Aufgaben wahrzunehmen als der Richter. Der Grundsatz der Amtsermittlung enthebt die Beteiligten nicht von ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes. Insbesondere in Antragsverfahren sind von den Beteiligten die Tatsachen vorzubringen, die ihr Rechtsschutzziel stützen, weil das Gericht ohne dieses Vorbringen regelmäßig keine Anhaltspunkte dafür haben wird, in welcher Richtung Ermittlungen zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen angestellt werden sollen.
2. Ausgehend von diesen allgemeinen Kriterien erscheint vorliegend die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Antragstellerin erforderlich.
Gewaltschutzsachen sind regelmäßig eilbedürftig. Sie sind schon deshalb nicht einfach gelagert, weil komplexe Sachverhalte zu unterbreiten sind, die es dem Gericht ermöglichen, Ausmaß und Umfang der Gefährdung des Antragstellers bzw. der Antragstellerin rasch und umfassend zu ermitteln und die zur Abwendung weiterer Verletzungen konkret erforderlichen Maßnahmen auch ohne Nachfragen und dadurch bedingte zeitliche Verzögerungen zu treffen.
Ein nicht rechtskundiger Beteiligter dürfte damit regelmäßig überfordert sein.
Das gilt auch für die Antragstellerin.
Bei ihr handelt es sich offensichtlich um eine Beteiligte mit Migrationshintergrund. Nach ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist sie ohne Beruf. Sie ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen zur Sicherung des L...